Karstadt am Hermannplatz / Metamorphosen, Gabriele Zöllner, Berlin 2011. Überlagerungsbild mit historischer Aufnahme von Max Missmann, 1931.
© Stadtmuseum Berlin

Das Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz

Wo Neukölln an Kreuzberg grenzt, wurde 1929 Berlins größtes Kaufhaus eröffnet. Es galt als das modernste in Europa und als ein Symbol des Fortschritts. Im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört, entstand es ab 1951 in verkleinerter und vereinfachter Form neu. Pläne, das Vergangene wieder auferstehen zu lassen, sind bis heute Pläne geblieben.

von Heiko Noack

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Berlin die ersten großen Warenhäuser, so wie auch in vielen anderen Städten Europas und Nordamerikas. Mit ihrem breit gefächerten Sortiment zogen sie eine ständig wachsende Kundschaft an: Im Unterschied zum traditionellen Einzelhandel, der auf bestimmte Sortimentsbereiche spezialisiert war, gab es hier die verschiedensten Produkte bequem erreichbar und ansprechend präsentiert an einem Ort. Unternehmen wie Tietz, Wertheim oder Karstadt errichteten dafür eigene, speziell als Kaufhäuser entworfene Gebäude. Im Zuge dieser Entwicklung entstand auch das Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz (Neukölln) – und es setzte in jeder Hinsicht neue Maßstäbe.

Leuchtendes Monument der Moderne

Im Zusammenhang mit dem Neubau wurde die bestehende U-Bahn-Linie D (die heutige U8) bis zum Hermannplatz erweitert und der neue U-Bahnhof über einen direkten Zugang an das Kaufhaus angeschlossen. Mit seinen zwei 56 Meter hohen Türmen und der effektvoll inszenierten Erscheinung überragte es die benachbarten Gründerzeit-Miethäuser in jeder Hinsicht. Die expressionistische, streng gegliederte Fassade und die reich geschmückten Innenräume waren mit hochwertigen Materialien ausgestattet. Von außen erstrahlte das Gebäude nachts im Neonlicht. Im Inneren bot es beinahe alle Arten von Produkten: von Lebensmitteln über Haushaltswaren und Kleidung bis hin zu Spielzeug. Auch in technischer Hinsicht war es mit elektrischen Rolltreppen und Aufzügen hochmodern. Der Architekt hatte im doppelten Wortsinn ein leuchtendes Monument der Moderne geschaffen.

Das Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz, aus einer Bildmappe der Rudolph Karstadt AG, 1929
© Stadtmuseum Berlin
Schnell wurde der Hermannplatz durch den Neubau zu einem Anziehungspunkt im südlichen Berlin. Ab seiner Eröffnung zog das Karstadt-Kaufhaus täglich tausende Menschen an. Sie schlenderten durch die eleganten Hallen, bewunderten die neuesten Mode-Kreationen oder ließen sich vom riesigen Waren-Angebot zum Kauf verführen. Die Nutzfläche war mit mehr als 70.000 Quadratmetern auf insgesamt neun Geschossen mehr als doppelt so groß wie im Kaufhaus des Westens (KaDeWe) in Schöneberg. Die weite, lichtdurchflutete Architektur galt als Meisterwerk ihrer Zeit, und es war nicht ungewöhnlich, dass sich Menschen stundenlang in den verschiedenen Abteilungen aufhielten, um das einzigartige Shopping-Erlebnis zu genießen. Denn das Gebäude war nicht nur ein Kaufhaus. Schnell wurde es auch zu einem beliebten Treffpunkt und zum Schauplatz der gehobenen Berliner Lebensart. Zwischen den beiden Türmen erstreckte sich ein Dachgarten von der Größe eines Fußballfelds, der das Publikum mit preisgünstigen Speisen, Getränken und einem einzigartigen Ausblick scharenweise anlockte. Viele kamen einfach nur zum Gucken und nahmen damit zahlenden Gästen die Plätze weg, sodass der Zutritt später kostenpflichtig wurde.
Faltkarte der Rudolph Karstadt AG: „Sehenswerte Punkte Groß-Berlins – Fahrtverbindungen zum Hermannplatz“, 1936
© Stadtmuseum Berlin

Wirtschaftskrise und Krieg

Der Glanz des Konsum-Tempels erstrahlte nur kurz. Die Weltwirtschaftskrise traf ab Oktober 1929 die Berliner Bevölkerung wie auch den Karstadt-Konzern hart. Das Kaufhaus am Hermannplatz erwies sich jetzt als überdimensioniert. Schon 1932 standen mehrere Geschosse leer. Der Aufstieg des Nationalsozialismus brachte ab 1933 weitere tiefgreifende Einschnitte. Beschäftigte mit jüdischem Familienhintergrund wurden entlassen, Beschäftigte mit entsprechenden Kontakten drangsaliert. Überhaupt galten Kaufhäuser im NS-Staat zunächst als „jüdisch“ und mithin als unerwünscht. Dies änderte sich erst mit der so genannten Arisierung.

Während des 2. Weltkriegs mussten infolge der kriegsbedingten Mangelwirtschaft auch die meisten der verbliebenen Verkaufsflächen im Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz geschlossen werden. Stattdessen bezog das Heeresbekleidungsamt der Deutschen Wehrmacht mehrere Geschosse des Gebäudes. Zwar blieb es von Schäden durch alliierte Bombenangriffe verschont. Doch während der Schlacht um Berlin wurde das Kaufhaus am 25. April 1945 fast vollständig zerstört, als sich am Hermannplatz und in dessen näherer Umgebung französische und skandinavische Angehörige freiwilliger Waffen-SS-Divisionen mit Resten der Wehrmacht und Volkssturm-Einheiten der vorrückenden Roten Armee entgegenstellten. Bis heute ist nicht zweifelsfrei geklärt, ob das Gebäude durch Brandstiftung oder – was wahrscheinlicher ist – durch gezielte Sprengung in Trümmer fiel. Fest steht: Als der Krieg endete, blieb von dem kolossalen Bauwerk neben Bergen von Schutt und rückseitigen Mauern nur ein kleines Stück an der Hasenheide übrig. Nichtsdestotrotz nahm Karstadt in diesem verbleibenden Rest schon 1945 den Geschäftsbetrieb wieder auf.
Zerstörter Panzerkampfwagen VI „Tiger“ in der Altonaer Straße. Wie hier in Tiergarten tobten in der letzten April-Woche 1945 rund um den Hermannplatz heftige Kämpfe, an denen auch Artillerie und zahlreiche Panzer beteiligt waren.
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Cecil F. S. Newman
Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz, 8. Dezember 1968
© Stadtmuseum Berlin | Archiv Rolf Goetze

Neubau und Erweiterung

Der erhaltene originale Gebäudeteil wurde nach dem Krieg zum Ausgangspunkt für einen erheblich kleineren und niedrigeren Neubau. Dieser entstand auf dem südlichen Teil des ursprünglichen Grundstücks, an der Ecke Hasenheide/Hermannplatz. Auf dem nördlichen Teil bis zur Ecke Hermannplatz/Urbanstraße entstand erst in den 1970er Jahren ein Erweiterungsbau. So erreichte das Kaufhaus zumindest in einer Hinsicht wieder seine alte Größe – nach der Teilung Berlins nun als ein Ort, der die bürgerliche Welt des Westens widerspiegelte.
Der Hermannplatz mit dem Karstadt-Kaufhaus aus der Luft, 1964. Den Großteil der ehemaligen Gebäudefläche nahm zu dieser Zeit ein Parkplatz ein.
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Rolf Goetze (aus der Serie „Luftaufnahmen zwischen Lustgarten und Müggelsee“)

Innen wie außen mehrmals umgestaltet und modernisiert, stellte sich ab den 2000er Jahren immer drängender die Frage nach der Zukunft des Kaufhauses. Der wachsende Online-Handel setzte den Karstadt-Konzern zunehmend unter Druck. 2019 schlossen sich daher Karstadt und Kaufhof zu „Galeria“ zusammen. Im selben Jahr brachte die österreichische „Signa Holding“, Eigentümerin des Kaufhauses am Hermannplatz, aufsehenerregende Pläne für einen Neubau ins Gespräch.
 

Zukunftspläne und Rekord-Bankrott

Der Vorschlag sah vor, die Nutzfläche auf 126.000 Quadratmeter zu vergrößern. Im Inneren sollte das Gebäude eine Markthalle und Büros beherbergen, von Wohnungen war die Rede, einem Fitness-Center und Restaurants.  Außen sollten die Fassaden mitsamt den beiden Türmen nach historischem Vorbild neu entstehen. Die Bezirke Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen beurteilten das Vorhaben sehr unterschiedlich. Aus Furcht vor Verdrängung und Gentrifizierung äußerten zudem Teile der örtlichen Bevölkerung und gesellschaftspolitische Initiativen Vorbehalte gegen ein Investitionsprojekt dieser Größenordnung an diesem Ort. Fragen um Transparenz und Mitbestimmung wurden teils hitzig diskutiert.
 
Auch die Signa Holding selbst geriet in die Kritik. Im November 2023 meldete das Unternehmen Insolvenz an, gegen ihren Gründer wurde wegen des Verdachts von Insolvenzvergehen, Geldwäsche und Betrug ermittelt. Es war der größte Bankrott in der Geschichte Österreichs. All dies führte dazu, dass die Pläne für den Kaufhaus-Neubau seither ruhen. Selbst der Bestand des Nachkriegs-Kaufhauses gilt inzwischen als gefährdet. Die traditionsreiche Dachterrasse musste Anfang 2025 schließen. Doch das erhaltene Stück des monumentalen Original-Bauwerks vermittelt bis heute zumindest einen Eindruck von seiner einstigen Wirkung.

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Das Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz wirkt fort bis in die Gegenwart. Seine Geschichte ist so wechselvoll wie die Geschichte Berlins. Auch das Museum Ephraim-Palais, wo das Kaufhaus im Modell zu sehen ist, blickt auf eine wechselvolle Entwicklung zurück, die bis ins Heute reicht.

Modell des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz im Maßstab 1:50
© Stadtmuseum Berlin

BerlinZEIT

Die Stadt macht Geschichte!

Ein großformatiges Modell des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz zählt zu den Highlights unserer Berlin-Ausstellung im Museum Ephraim-Palais. Darüber hinaus erwartet Sie in der Ausstellung ein kompakter Überblick über acht Jahrhunderte Berliner Stadtgeschichte.

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