Gespräche hinter Spitzengardinen
Auf der Freifläche reflektieren drei polnische Künstler:innen unter dem Titel „Freiheit, Gleichheit, Solidarność” das besondere Verhältnis zwischen Pol:innen und Berlin.
Das ist die Kernfrage, die in der Ausstellung BERLIN GLOBAL auf vielfältige Art beantwortet wird: Denn es sind vor allem die Menschen, die aus ganz Europa und der Welt hierherkamen. In vielen Aspekten der Ausstellung ist zu sehen, wie Berlin mit der Welt verbunden ist und sich schon seit dem Mittelalter durch Einwanderung entwickelte: Ohne die Böhmen, Jüdinnen und Juden oder Slaw:innen, die seit Jahrhunderten vor religiöser Verfolgung, Krieg oder wirtschaftlichem Elend nach Berlin kamen, wäre die Stadt an der Spree nicht die Metropole, die sie geworden ist.
„Es gibt immer schon enge Beziehungen zwischen den Pol:innen und Berlin, sei es wegen der Nähe, der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen aus verwandtschaftlichen Verhältnissen“, sagt Anna Krenz. Sie zitiere dazu gerne Kurt Tucholsky, der 1919 im „Berliner Abendblatt“ schrieb: „Der Berliner ist meist aus Posen oder Breslau und hat keine Zeit.“ Die Künstlerin, die seit 2003 in Berlin lebt, ist Mitgründerin des Kollektivs Dziewuchy Berlin und des Vereins Ambasada Polek e. V., die sich für feministische und queere Kunstprojekte engagieren und mit ihren Aktionen auf Missstände und Verfolgung in ihrem damals noch von der konservativen PiS-Partei regierten Heimatland aufmerksam machten.
Interviews mit Berliner:innen
Die Freifläche besteht aus drei Teilen. Zum einen haben die Künstler:innen sieben „Polnische Orte in Berlin“ exemplarisch ausgesucht, an denen gemeinsame Geschichte aus über 150 Jahren sichtbar wird. Ein weiterer Ausstellungsbereich ist eine mehrteilige Filminstallation. Sie zeigt unter anderem Interviews mit Berliner:innen unterschiedlicher Generationen, die über die Bedeutung der Solidarność-Bewegung für Berlin und der deutsch-polnischen Solidarität heute sprechen. Es geht auch um Alltagsrassismus und vielfache deutsche Vorurteile gegen Pol:innen.
Eine polnische Mutter und ihre Tochter berichten, dass das in Berlin aufgewachsene Kind nicht Polnisch lernen durfte, weil die Mutter Nachteile für es befürchtete. Die Tochter hingegen beschwert sich, dass ihr ein wichtiger Teil ihrer Identität vorbehalten wurde, den sie erst als junge Erwachsene nachholen konnte.
„Ich will uns Polen nicht als Opfer zeigen, wie es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Thema war. Die zivile Gesellschaft in Polen hat gezeigt, dass wir uns engagieren und etwas verändern können. Denn wir alle kämpfen um Freiheit, Gleichheit und Solidarność“, sagt Anna Krenz.
Die Kommunikation zwischen den Ländern und ihren Menschen sei das Wichtigste, betont die Künstlerin, gerade in schwierigen Zeiten, auch wenn im heutigen Polen nach dem Regierungswechsel 2023 zum Glück endlich Aufbruchstimmung herrsche.
Polnische Orte in Berlin
Erschienen im Tagesspiegel am 14.12.2024
Die Freifläche ist im Raum „Vergnügen“ bei BERLIN GLOBAL zu sehen.