Handschriftlicher Brief von Camilla Spira aus dem Amsterdamer Exil
© Stadtmuseum Berlin

Brief der Schauspielerin Camilla Spira aus dem Exil (1944)

OBJEKT DES MONATS JUNI 2020

Millionen Menschen in der Welt sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Daran erinnert der Weltflüchtlingstag am 20. Juni. Aus diesem Anlass stellen wir Ihnen einen Brief der vor nationalsozialistisicher Verfolgung in die Niederlande geflüchteten Berliner Schauspielerin Camilla Spira (1906–1997) vor.

von Bärbel Reißmann

Die 1906 in einer Künstler:innen-Familie geborene Camilla Spira begann ihre Bühnenlaufbahn 1922 in Berlin. Bereits zwei Jahre später stand sie auch vor der Filmkamera und hatte sowohl in Stummfilmen als auch im damals neuen Medium Tonfilm Erfolg. 1930 trat sie als Wirtin in Ralph Benatzkys Singspiel „Im weißen Rößl“ des Regisseurs Erik Charell im Großen Schauspielhaus auf.

Verfolgung und Rettung

Wegen ihres jüdischen Vaters, dem Opernsänger Fritz Spira, erhielt sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 keine Rollenangebote mehr. Mit ihrem Ehemann Hermann Eisner, ebenfalls Jude, und den gemeinsamen Kindern emigrierte Camilla 1938 nach Amsterdam. Dort verhafteten die deutschen Besatzer die Familie 1943 und internierten sie im Durchgangslager Westerbork.

Um dem drohenden Abtransport ins Vernichtungslager Auschwitz zu entgehen, versuchte Camilla eine „Korrektur“ ihrer eigenen Abstammungsgeschichte bei der deutschen Besatzungsbehörde zu erreichen. Es gelang ihr, sich mit Hilfe der Mutter Lotte in Berlin als uneheliches Kind eine „arische“ Herkunft bescheinigen zu lassen.  Das kleine Wunder geschah: Als „privilegierte Mischehe“ waren Camilla, ihr Mann und die Kinder nun vor der Deportation geschützt.

Rückkehr nach Berlin

1947 kehrte Camilla Spira aus der Emigration in ihr „geliebtes Berlin“ zurück. Zunächst im Theater am Schiffbauerdamm engagiert, stand sie danach im Hebbel- und Schloßpark-Theater auf der Bühne.  In Carl Zuckmayers „Des Teufels General“ spielte sie ein Stück, das ihre eigene Situation als verfolgte Jüdin während der NS-Herrschaft thematisierte. An der Seite von O. E. Hasse als Fliegergeneral Harras verkörperte sie darin eine Diva. 1955 wurde die erfolgreiche Geschichte mit ihr und Curd Jürgens verfilmt.

Das Schicksal der Familie Spira beleuchtet ein 1991 vorgestellter Dokumentarfilm mit dem Titel „So wie es ist, bleibt es nicht. Die Geschichte von Camilla und Steffie Spira“. Ihrem Vater Fritz gelang 1933 die Flucht aus Deutschland, 1941 wurde er in Wien verhaftet, in das Konzentrationslager Ruma (Serbien, damals Kroatien) deportiert und 1943 ermordet. Mit Hilfe von Freund:innen und Unterstützer:innn überlebten Camilla in den Niederlanden und Steffie Spira in Mexiko mit ihren Familien die Exiljahre.
Camilla Spira (rechts) als Diva in „Des Teufels General“ im Schloßpark-Theater Steglitz, links Ute Sielisch als Diddo, in der Mitte O. E. Hasse als Fliegergeneral Harras.
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Harry Croner

Dankesbrief

Mit dem hier vorgestellten Brief bedankte sich Camilla Spira in einem herzlichen Schreiben für die Unterstützung bei der Schauspielerin Traute Rose, der Ehefrau des Theater-Intendanten Paul Rose. Diese hatte sich nach dem Tod von Camillas Mutter Lotte, die zum Ensemble des Berliner Rose-Theaters gehörte, im Dezember 1943 um die Beerdigung und den Nachlass gekümmert. Trotz aller Schwierigkeiten gelang es Traute Rose, „Kisten und Koffer sowie Geld“ an die aus Deutschland geflüchtete Tochter Camilla nach Amsterdam zu senden. Die materielle und finanzielle Unterstützung von Traute Rose kam im Februar 1944 für die Familie in Amsterdam zum richtigen Zeitpunkt, um das Überleben bis zum Kriegsende zu sichern.

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