Ein fast runder, im Querschnitt mehrere Meter messender Holzverschlag mit Messing-Okularen, davor jeweils ein Hocker oder ein Stuhl: Dieses so genannte Kaiserpanorama ermöglichte schon um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die automatische Vorführung von dreidimensional erscheinenden Fotografien. Es war ein Massenmedium der Kaiserzeit, das Vielen damals Menschen noch lange in Erinnerung blieb. So beschrieb etwa der in Berlin geborene und aufgewachsene Philosoph Walter Benjamin in seinem kleinen Buch „Kindheit im 19. Jahrhundert“ das „Kling“-Geräusch, mit dem das Kaiserpanorama die Zuschauer:innen per Glockenschlag von Bild zu Bild durch die „ferne Welt“ führte.
Die „Kaisergalerie“
Publikumsmagnet in Berlins Mitte
Entwickelt wurde das Kaiserpanorama von dem Physiker, Erfinder und Geschäftsmann August Fuhrmann (1844 – 1925). Geboren in Breslau/Schlesien (heute Wrocław, Polen) eröffnete er 1883 sein erstes Kaiserpanorama in der damals beliebten Berliner „Kaisergalerie“. Diese frühe „Shopping Mall“ – eine gut besuchte Einkaufspassage zwischen Friedrichstraße (Ecke Behrenstraße) und dem Boulevard Unter den Linden – war ein idealer Ort für die Attraktion.
Frühes Massenmedium
In einer frühen Form des Bildjournalismus versorgte August Fuhrmann aus seiner Berliner „Weltpanoramazentrale“ heraus bald bis zu 250 Niederlassungen in Europa und in Übersee mit stereoskopischen Bildern. Es war ein echtes Massenmedium, das sich nicht nur an wohlhabende oder gebildete Bevölkerungs-Schichten richtete. Dementsprechend groß war seine Verbreitung: Im Jahr 1909 waren bereits 100.000 Abzüge der 3D-Bilder im Umlauf.Farb-Bilder wurden aufwendig von Hand hergestellt, indem man Schwarz-weiß-Bilder kolorierte, denn die Farbfotografie stand um 1900 noch in den Anfängen. August Fuhrmann hatte dafür ein spezielles Verfahren entwickelt und patentieren lassen, das seine schwarz-weißen Stereo-Bilder in natürlich erscheinenden Farben leuchten ließ.
Konkurrenz durch den Film
Fuhrmanns Unternehmen, für das bis zu acht Fotografen tätig waren, war dank der geschickten Werbe- und Vertriebsstrategie seines Gründers wirtschaftlich erfolgreich und als „Kunstinstitut ersten Ranges“ bekannt. Der Konkurrenz durch das neue Medium Film hatte die Stereoskopie jedoch auf Dauer nichts entgegenzusetzen. Die Menschen verloren das Interesse an den unbewegten, stummen Bildern und strömten stattdessen in die Kinos, die oftmals prunkvolle Film-Paläste waren. Doch erst 1939 wurde das Berliner Kaiserpanorama in der Kaisergalerie geschlossen.Das Kaiserpanorama live erleben
Das Stadtmuseum Berlin bewahrt in seiner Sammlung ein originales Kaiserpanorama auf. Es stammt aus einer niederländischen Niederlassung der „Weltpanoramazentrale“ und ist das einzige seiner Art in Berlin. Erworben im Jahr 1983, war es bis 2019 im Märkischen Museum in Betrieb. Seit 2021 ist eine funktionsfähige Nachbildung im Raum „Unterhaltung“ der Ausstellung BERLN GLOBAL im Humboldt Forum zu erleben.Beim Museumsfest 2015 bot sich den Besucher:innen des Märkischen Museums die Gelegenheit, beim Wechsel der Bilderserie im Kaiserpanorama zuzusehen und dabei hinter die Kulissen des originalen Apparats zu blicken.
Redaktionelle Bearbeitung: Heiko Noack