Das Kofferradio „Möwe 6D71“ aus der Sammlung Alltagskultur des Stadtmuseums Berlin.
© Stadtmuseum Berlin

DDR-Kofferradio 6D71 (1952–54)

OBJEKT DES MONATS

Eine „Möwe“, die alle nur „Laubfrosch“ nannten: Zum Welttag des Radios stellen wir eines der ersten Kofferradios der ehemaligen DDR vor.

von Peter Matuschek

Stolze 2,6 Kilogramm wiegt das erste tragbare Radio der ehemaligen DDR mitsamt Batterien – für die damalige Zeit ein echtes Leichtgewicht. Anfangs noch mit Röhrentechnik und relativ großen Batterien ausgestattet, waren die Geräte nämlich noch richtige „Koffer-Radios“. Mit der Entwicklung der Transistor-Technik und der Verwendung von Kunststoffen wurden Radiogeräte aber stetig kleiner und leichter. Ihren Ursprung haben tragbare Radios in den USA. Dort wurden sie ab Mitte der 1920er Jahre erfolgreich hergestellt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg fand die Produktion von Kofferradios auch in Europa statt.

„Der Laubfrosch“

Entwickelt wurde das hier vorgestellte DDR-Modell im Fernmeldewerk Leipzig. Auf der Leipziger Herbstmesse 1951 wurde es erstmals präsentiert. Von 1952 bis 1953 produzierte der VEB RFT (Volkseigener Betrieb Radio Fernsehen Technik) Berlin das Radio unter der Bezeichnung „6D71“. Zwischen 1953 und 1954 stellte der VEB RFT Staßfurt das Gerät unter dem Namen „Möwe 6D71“ her. Weil die „Möwe“ meistens mit einem grünen Kunststoff-Gehäuse aus Styrol-Polymerisat versehen war, wurde das Kofferradio in der Bevölkerung kurzerhand zum „Laubfrosch“.

Mit dem Entstehen zweier Gesellschaftsblöcke in Ost und West und dem Beginn des Kalten Krieges dienten Radiosender beiderseits des „Eisernen Vorhangs“ auch als mediale Waffen – der Jugend aber auch als wichtiger Musiklieferant. Gerade im so genannten Ostblock wurden „Westsender“ als heimliche Informationsquellen genutzt. Bekannte Radiostationen in West-Berlin waren unter anderem RIAS (Rundfunk im Amerikanischen Sektor), AFN (American Forces Network) Berlin und der SFB (Sender Freies Berlin).

Das Kofferradio-Urteil

Weil ein Jugendlicher mit einer „Kofferheule“ (umgangssprachlicher DDR-Begriff für Kofferradios) auf der Straße laut den Westsender RIAS hörte, kam es 1959 zu einem Fall vor dem Kreisgericht Potsdam. Ein Passant forderte laut Gericht den Jugendlichen auf, den Sender zu wechseln. Da der Jugendliche nicht auf einen DDR-Sender umschalten wollte, soll der Passant das Radiogerät zerstört haben. Die Klage auf Schadensersatz wurde mit der Begründung abgelehnt, dass „derjenige nicht widerrechtlich [handelt], der eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um damit eine durch die fremde Sache hervorgerufene drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden.“ Weil auch andere Menschen „den Hetzkommentar des RIAS“ hätten hören können, habe sich der Jugendliche einer „Verbreitung von Hetze gegen unseren Staat zuschulden kommen lassen.“ (aus: Klaus Behling: „Die Kriminalgeschichte der DDR“, Berlin 2017)

Der Fall ging als „Kofferradio-Urteil“ in die Kriminalgeschichte der DDR ein und ist ein (mildes wie banales) Beispiel dafür, dass privates Eigentum im Sozialismus nur begrenzten Schutz genoss. Zudem ist es eines der ersten „Radio-Urteile“ nach der NS-Zeit. Während des nationalsozialistischen Regimes stand auf „Feindsender hören“ nämlich der Tod. Allerdings wurden auch die DDR-Urteile im Laufe der Zeit schärfer. Zwischen 1950 und 1965 wurde das Hören von Westsendern häufig unter Strafe gestellt, teils mit sehr hohen Zuchthausstrafen. Das Schreiben an Sender – etwa für Musikwünsche – wurde mitunter sogar als Kontaktaufnahme mit feindlichen ausländischen Nachrichtendiensten verstanden.

Welttag des Radios

Auf Initiative der UNESCO erinnert der Welttag des Radios seit 2012 unter anderem an die Gründung des Radios der Vereinten Nationen (UN Radio) am 13. Februar 1946. Denn das Radio ist das Informationsmedium, das weltweit die meisten Menschen erreicht. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag für die Demokratie und eine freie, unabhängige Meinungsbildung.

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