Die Versöhnungskirche inmitten der Grenzanlagen längs der Bernauer Straße, 25. August 1968
© Stiftung Stadtmuseum Berlin | Archiv Rolf Goetze

Die Versöhnungskirche

Der Mauerbau am 13. August 1961 schnitt die Evangelische Versöhnungsgemeinde von ihrer Kirche in der Bernauer Straße ab. Viele Jahre stand die Versöhnungskirche als letztes Gebäude auf dem Grenzstreifen, der hier Ost-Berlin von West-Berlin trennte. Vier Jahre vor dem Mauerfall wurde das Symbol der geteilten Stadt auf Regierungsbeschluss der DDR gesprengt. Seit dem 9. November 2000 steht ein neuer Kirchenbau an seiner Stelle.

von Heiko Noack

In den Jahren 1892 bis 1895 wurde die Versöhnungskirche aus rotem Backstein im neugotischen Stil auf dem nördlichen Teil des Sankt-Elisabeth-Kirchhofs erbaut. Entworfen hatte sie der sächsische Architekt Gotthilf Ludwig Möckel (1838–1915), von dem auch die zur gleichen Zeit in Friedrichshain errichtete Samariterkirche stammt. Mitten in einem belebten Gründerzeitviertel gelegen, das während der industriellen Revolution rasant gewachsen war, wurde die Versöhnungskirche zum Zentrum einer 20.000 Mitglieder zählenden Gemeinde. Als sich Berlin 1920 mit bis dahin freien Städten, Landgemeinden und Gutsbezirken zu Groß-Berlin zusammenschloss, wurde die Grenze zwischen den neu geschaffenen Stadtbezirken Mitte und Wedding entlang der Bernauer Straße gezogen. Die Gebäude auf der Südseite einschließlich der Versöhnungskirche gehörten nun zu Mitte, die Gebäude auf der Nordseite samt Straße und Gehwegen zu Wedding.

Vier-Sektoren-Stadt

Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands endete am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg. Das besetzte Berlin wurde von den alliierten in einen französischen, einen britischen, einen US-amerikanischen und einen sowjetischen Sektor aufgeteilt, zwischen denen sich die Menschen zunächst freizügig bewegen konnten. Wedding gehörte nun zum französischen, Mitte zum sowjetischen Sektor.

Der Wiederaufbau Berlins begann. Die bei alliierten Bombenangriffen am 22. und 23. November 1943 schwer beschädigte Versöhnungskirche wurde 1950 instandgesetzt. Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse fanden darin wieder statt, wenngleich die Gemeinde nur noch etwa 7.000 Mitglieder zählte. Doch je mehr sich die Sowjetunion und die westlichen Alliierten entfremdeten, desto mehr verschärfte sich auch in Berlin die politische Situation. Bis sie buchstäblich über Nacht eskalierte.
Bernauer Straße, 26. Mai 1950. Die originale Bilduterschrift lautet: „Mehrere Agitationsgruppen der SED hatten sich an der Sektorengrenze in der Bernauer Strasse eingefunden, um mit ihren hohlen Phrasen die Westberliner zu ‚bekehren‘. Die Bewohner des Westsektors nahmen eine drohende Haltung gegen sie ein. […] Westberliner Polizei schreitet ein.”
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Pressebilderdienst Kindermann
Ein Haus an der Ecke Bernauer Straße / Ackerstraße wird gesprengt, um ein freies Feld für die Grenzanlage zu schaffen.
ELAB, Archiv der Versöhnungsgemeinde (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ackerstraße_Bernauer_Straße_Sprengung_Dezember_1965.jpg), „Ackerstraße Bernauer Straße Sprengung Dezember 1965“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Hinter dem Eisernen Vorhang

Die Versöhnungskirche lag nun hinter dem „eisernen Vorhang“, für die Gemeindemitglieder unzugänglich inmitten der Grenzbefestigung. Für deren Ausbau wurden die Häuser an der Südseite der Bernauer Straße nach und nach beseitigt. Nur die Versöhnungskirche blieb. Seit dem Mauerbau diente sie den Grenztruppen als Beobachtungsposten, auch Waffen und anderes Gerät wurden hier gelagert. Unter diesen Umständen war eine kirchliche Nutzung ausgeschlossen, daher errichtete die Versöhnungsgemeinde 1965 ein neues Gemeindezentrum mit Kirchsaal direkt gegeüber ihrer eingemauerten Kirche.

Im März 1983 erhielt die Evangelische Kirche West-Berlins ein konkretes Angebot: Im Tausch für das Gebäude samt Grunstück sollte sie nicht nur die noch vorhandene Kirchenausstattung und einen Geldbetrag bekommen, sondern obendrein zwei Grundstücke anderenorts in Ost-Berlin für kirchliche Neubauvorhaben sowie die Zusage, diese zu genehmigen. So stimmte die Gemeinde dem Angebot zu. Anfang 1985 wurden die Glocken aus dem Turm der Versöhnungskirche geborgen. Nach nur 24-stündiger Ankündigungszeit folgte die Sprengung: Am 22. Januar 1985 fiel das Kirchenschiff, am 28. Januar der Turm.

Rückgabe und Neubau

Nach dem Mauerfall lag die Bernauer Straße wieder mitten in Berlin und mit ihr der ehemalige Standort der Versöhnungskirche. Am 13. Juni wurde die Ackerstraße wieder für den Verkehr geöffnet. Der Grenzstreifen verlor seine Funktion, bald war er nur noch eine innerstädtische Brache. 1995 erhielt die Evangelische Versöhnungsgemeinde das Grundstück ihrer ehemaligen Kirche zurück und zugleich den Auftrag, es wieder kirchlich zu nutzen. Schon bald fanden die geretteten Glocken der Versöhnungskirche hier ihren Platz. Anstelle der zerstörten Kirche sollte eine Kapelle neu entstehen.
Mauerreste auf dem Friedhofsgelände an der Bernauer Straße
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Manfred Hamm

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© Stadtmuseum Berlin | Foto: Heiko Noack

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