E. T. A. Hoffmann und Ludwig Devrient als Stammgäste im Weinhaus Lutter & Wegner, Gemälde von Hermann Kramer (Öl auf Leinwand)
© Stadtmuseum Berlin

E. T. A. Hoffmann

Jurist, Nachtschwärmer und Poet: Das Leben dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit bewegte sich stets in Gegensätzen. Der gewissenhafte Beamte war gleichzeitig ein leidenschaftlicher Künstler. In seinen Werken stehen Alltag und Fantasie nebeneinander und gehen nicht selten ineinander über.

von Bettina Machner
„Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, sonntags, am Tage wird gezeichnet, und abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht.“

Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann wurde am 24. Januar 1776 in Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russische Föderation) geboren. Vier Jahre später ließ sich der Vater Christoph Ludwig, ein launenhafter Rechtsanwalt und Trinker, von der als hysterisch und fanatisch ordnungsliebend beschriebenen Mutter Lovisa Albertina (geborene Doerffer) scheiden. Hoffmann verbrachte seine Kindheit im Haus der Großmutter Lovisa Sophia Doerffer. Ein Onkel ließ dem Jungen Zeichen- und Musikunterricht zukommen, und mit 13 Jahren schuf er erste Kompositionen. Mit 16 Jahren nahm Hoffmann der Familientradition entsprechend ein Jura-Studium auf, legte nur drei Jahre später das erste Examen ab und trat als Referendar in den Staatsdienst ein. Parallel dazu zeichnete und malte, schrieb und komponierte er.

Sein drittes juristisches Examen bestand er im Jahre 1800 mit der Note „vorzüglich“. Hoffmanns Wunsch, weiter in Berlin zu arbeiten, erfüllte sich nicht. Stattdessen wurde er als Assessor nach Posen (heute Poznań, Polen) versetzt, das wenige Jahre zuvor noch zum inzwischen aufgelösten Königreich Polen gehört hatte. Hier heiratete er 1803 Maria (Mischa) Thekla Michaelina Rorer-Trzynska. Im Juli 1805 brachte sie eine Tochter auf die Welt, die der stolze Vater nach der Schutzheiligen der Musik Caecilia taufen ließ. Doch schon zwei Jahre später starb das einzige Kind der Hoffmanns.

Julius Eduard Hitzig wurde zu einem wichtigen Freund und Weggefährten von E. T. A. Hoffmann. Portrait auf einer Vase der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM), Berlin, zwischen 1837 und 1844
© Stadtmuseum Berlin

Zwischenstationen

1804 wurde Hoffmann als Regierungsrat ins seit 1796 preußisch besetzte Warschau (Warszawa, Polen) entsandt. Dort freundete er sich mit dem aus Berlin stammenden jungen Assessor Julius Eduard Hitzig an, der ihn mit der zeitgenössischen romantischen Literatur vertraut machte. Weiterhin widmete er sich intensiv der Musik, komponierte und leitete ein Laien-Orchester. Aus Bewunderung für den Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) nannte sich Hoffmann ab 1805 Ernst Theodor Amadeus.

Als 1806 Truppen des napoleonischen Frankreichs Warschau besetzten, wurden die preußischen Behörden aufgelöst. Wie die meisten seiner Kollegen verweigerte Hoffmann den Eid auf die neue französische Regierung, wodurch er arbeitslos wurde. Im Jahr darauf reiste er nach Berlin, wo er erneut erfolglos nach einer Anstellung suchte. Überraschend erhielt er das Angebot, als Musikdirektor in Bamberg zu arbeiten, wo er in den folgenden Jahren seinen Lebensunterhalt als Kapellmeister, Theatermaler, Komponist, Theaterarchitekt und Musiklehrer verdiente. Verstärkt widmete er sich der Musikkritik und der Schriftstellerei. 1813 erhielt er ein einjähriges Engagement als Theaterkapellmeister in Dresden.

Endlich angekommen

Berlin war einer der beiden zentralen Wirkungsorte Hoffmanns. Drei Mal bemühte er sich, hier Fuß zu fassen. Und beim dritten Versuch glückte es ihm: Im September 1814 kam Hoffmann endgültig in die Hauptstadt Preußens. Im Unterschied zu seinen früheren Aufenthalten in Berlin war der mittlerweile erfolgreiche Künstler Hoffman auch hier kein Unbekannter mehr. Die ersten Bände seiner „Fantasiestücke in Callots Manier“ hatten Aufsehen erregt. Zu Hoffmanns Begrüßung organisierte Julius Eduard Hitzig ein Festessen und führte seinen Kollegen in einen literarischen Freundeskreis ein, zu dem unter anderem Adelbert von Chamisso, Friedrich Baron de la Motte-Fouqué, David Ferdinand Koreff und Karl Wilhelm Contessa gehörten.   

Auch als Komponist fand Hoffmann Anerkennung, nachdem seine Zauberoper „Undine“ 1816 anlässlich des Geburtstags von König Friedrich Wilhelm III. im Königlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt erfolgreich uraufgeführt worden war. Beim Publikum und bei der Presse Presse kam die Oper gleichermaßen gut an. Die Musik Hoffmanns und das Bühnenbild von Karl Friedrich Schinkel wurden einhellig gelobt. Lediglich das Textbuch (Libretto) von Fouqué wurde kritisiert, da ihm, so die Meinung, zum Verständnis der Handlung notwendige dramatische Momente fehlten.
Libretto zu „Undine“, handschriftliches Manuskript von Friedrich Baron de la Motte-Fouqué
© Stadtmuseum Berlin

Es ist wahrscheinlich, dass Hoffmann hoffte, nun eine Anstellung am Königlichen Nationaltheater zu erhalten. Diese Erwartung erfüllte sich jedoch nicht. Schon seit 1815 hatte er am Kammergericht in der Lindenstraße Dienst verrichtet, erhielt aber erst 1816 eine regulär bezahlte Anstellung als Mitglied des Kriminalsenats. Fortan führte er gewissermaßen zwei Leben – eines als Jurist und eines als Künstler. Dass „E. T. W.“ und „E. T. A.“  Hoffmann ein- und dieselbe Person bezeichneten, wusste bald ganz Berlin. Selbst König Friedrich Wilhelm III. musste es, wenn auch missbilligend, schließlich zur Kenntnis nehmen.

Flucht in die Fantasie

Seit Juli 1815 lebte Hoffmann mit seiner Frau Mischa in einer repräsentativen Wohnung mit direktem Blick auf den Gendarmenmarkt an der Taubenstraße, Ecke Charlottenstraße. Die Wohnung war 128 Quadratmeter groß und hatte vier Zimmer sowie eine Küche und ein Dienstbotenzimmer.

In unmittelbarer Nähe befand sich das Lokal Lutter & Wegner. Hoffmann liebte es, hier mit Künstlerfreunden nächtelang bei Rum, Rotwein oder Champagner zusammenzusitzen und zu fabulieren. Das Arbeitszimmer des Dichters war mit circa 15 Quadratmetern der kleinste Raum der Wohnung. Von hier hatte er einen wunderbaren Ausblick über den gesamten Platz und die Rückseite des Theaters. Der Fensterblick auf den Gendarmenmarkt wurde später Grundlage für eine seiner letzten Erzählungen, „Des Vetters Eckfenster“.
Der Gendarmenmarkt mit dem alten Schauspielhause zur Zeit von E.T.A. Hoffmann, Zeichnung von Friedrich August Calau (Aquatinta auf Papier), 1815
© Stadtmuseum Berlin
Der so genannte Kunzische Riss: Druck von 1904 nach einer Karikatur von E. T. A. Hoffmann (Feder auf Papier) aus dem Jahr 1815. Sie zeigt in nicht-perspektivischer Darstellung seine Wohnumgebung am Gendarmenmarkt. Hoffmann legte das Blatt einem Brief vom 18. Juli an seinen Freund Kunz in Bamberg bei.
© Stadtmuseum Berlin
E. T. A. Hoffmann litt zeitlebens unter der Enge, Armseligkeit und Tristesse der preußischen Wirklichkeit, die er immer wieder in seinen Geschichten, Romanen und Märchen mit der Genauigkeit des detailbesessenen Untersuchungsrichters darstellte. Er war der Meinung, dass nur Künstler und Kinder dank ihrer Fantasie den Zwängen des Alltags entfliehen könnten. Er freundete sich mit ihnen an, wo immer er sie traf. Aus dem Stegreif erfand er für sie Geschichten und Märchen, die niemals aufgeschrieben wurden.

Plötzliches Ende

Kurze Zeit darauf erkrankte Hoffmann schwer. Ans Bett gefesselt schrieb er die Erzählung „Meister Floh“. Bereits vollständig gelähmt, musste er „Des Vetters Eckfenster“ diktieren. Am 25. Juni 1822 starb E. T. A. Hoffmann 46-jährig in Berlin. Am 28. Juni wurde er auf dem Friedhof der Jerusalems-Gemeinde beim Halleschen Tor (Kreuzberg) beigesetzt. Sein Nachlass wurde noch im selben Jahr versteigert. Julius Eduard Hitzig erwarb einen Teil davon. Am Stadtmuseum Berlin sind unter anderem die Handschriften zum Nachtstück „Der Sandmann“ und das Libretto zur Oper „Undine“ von Fouqué erhalten.

Eine Seite aus dem handgeschriebenen Manuskript „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann, 1812
© Stadtmuseum Berlin
Hitzig beschrieb den Freund in seiner 1822/23 erschienenen Biografie „Aus Hoffmanns Leben und Nachlaß“: „Hoffmann war von sehr kleiner Statur, hatte eine gelbliche Gesichtsfarbe, dunkles, beinahe schwarzes Haar, das ihm tief bis in die Stirn gewachsen war, graue Augen, die nichts Besonderes auszeichnete, wenn er ruhig vor sich hinblickte; die aber, wenn er, wie er oft zu thun pflegte, damit blinzelte, einen ungemein listigen Ausdruck annahmen. Die Nase war fein und gebogen, der Mund fest geschlossen. In seiner ganzen äußern Erscheinung fiel am meisten eine außerordentliche Beweglichkeit auf, die auf das Höchste gesteigert wurde, wenn er erzählte. Seine Begrüßungen beim Empfang und Abschied, mit wiederholten ganz kurzen, schnellen Beugungen des Nakkens, ohne daß der Kopf sich dabei bewegte, hatten etwas Frazzenhaftes und konnten leicht als Ironie erscheinen, wenn der Eindruck, den die seltsame Geberde machte, nicht durch sein sehr freundliches Wesen bei solchen Veranlassungen gemildert worden wäre.“
Einzug Napoleons in Berlin nach dem französischen Sieg über Preußen, 1806 (Radierung von Ludwig Wolf)
© Stadtmuseum Berlin | Reproduktion: Michael Setzpfandt

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