Hans Rosenthal
Von den 1960er bis in die 1980er Jahre war Hans Rosenthal (1925 – 1987) einer der beliebtesten Showmaster im deutschen Radio und Fernsehen. Als Überlebender des Holocaust setzte sich der fußballbegeisterte Berliner Entertainer bis zu seinem Tod für das jüdische Leben in Deutschland ein.
- 1925 geboren am 2. April in Berlin, Jugend in Prenzlauer Berg, ab 1935 Besuch der Jüdischen Mittelschule in der Großen Hamburger Straße (Mitte)
- ab 1940 landwirtschaftliche Ausbildung in einem „Umschulungslager“ (Hachschara-Lager) in Jessen/Niederlausitz, danach Zwangsarbeit
- 1942 nach Tod der Eltern Überweisung ins Baruch Auerbach’sche Waisenhaus für jüdische Knaben und Mädchen, zusammen mit Bruder Gert (1932 – 1942), der im selben Jahr deportiert und erschossen wird
- 1943 Flucht und bis Kriegsende Versteck in der Berliner Laubenkolonie „Dreieinigkeit“ in Lichtenberg
- 1945 Ausbildung beim Berliner Rundfunk
- 1948 Wechsel zum RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor), ab 1950 Quizmaster, ab 1962 Abteilungsleiter Unterhaltung
- 1965 – 1973 Erster Vorsitzender von Tennis Borussia Berlin
- 1971 Vorsitzender der Repräsentanten-Versammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin
- ab 1971 Erfolgssendung „Dalli Dalli“ im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF)
- ab 1973 Mitglied im Direktorium des Zentralrates der Juden in Deutschland
- 1987 gestorben am 10. Februar in Berlin
Mit diesen Worten pflegte Hans Rosenthal die beliebten Geburtstagsreden in seinem – wie er es nannte – „zweiten Leben“ zu beenden. Damit meinte das Leben nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur, in der er als Berliner jüdischen Glaubens der Verfolgung ausgesetzt gewesen war.
Flucht und Versteck
Nach dem frühen Tod seiner Eltern, der Deportation und Ermordung seines Bruders und einer Odyssee durch verschiedene Zwangsarbeitslager entschloss sich der 17-Jährige, in Berlin unterzutauchen. Dank der Hilfe dreier Frauen namens Jauch, Schönebeck und Harndt, die ihn 1943 ohne zu zögern in der Lichtenberger Laubenkolonie „Dreieinigkeit“ versteckt hatten, überlebte Hans die Judenverfolgung. Doch bis zum Kriegsende lebte er in ständiger Furcht.Schon in dem Versteck träumte er beim Abhören von Frontberichten und Propaganda mittels eines einfachen Detektor-Empfängers davon, nach dem Krieg zum Rundfunk zu gehen: „Sendungen machen! Die ‚richtigen‘. Die freien. Die anständigen. Es sollten politische Sendungen sein.“ Erst nach der Befreiung durch die Rote Armee im April 1945 konnte er sein „erstes, überschattetes Leben“ hinter sich lassen.
Zum Rundfunk
Am 21. Mai 1945 meldete sich Hans Rosenthal im „Haus des Rundfunks“ an der Masurenallee. Eine Woche später bekam er einen festen Arbeitsvertrag beim dort ansässigen „Berliner Rundfunk“, dem Radiosender der sowjetischen Militärverwaltung, im Bereich Zeitfunk. Der Besitz eines Fahrrads und sein Organisationstalent machten ihn bald im Sender beliebt, wo er aktuelle Themen bearbeitete. Ideenreich half er, schwierige Projekte wie die erste Hörspiel-Produktion von Gotthold Ephraim Lessings Drama „Nathan der Weise“ zu realisieren und wurde als Regie-Assistent beschäftigt. Daneben trat Rosenthal ab 1946 in allen Berliner Sektoren bei künstlerischen Veranstaltungen mit Film- und Bühnenstars auf. Dabei sammelte er wertvolle Erfahrungen darin, sich und andere vor Publikum zu präsentieren.Wechsel in den Westen
1947 heiratete Hans Rosenthal die in Spandau geborene Traudl Schallon (1927 – 2016), die er in der Kantine des Berliner Rundfunks kennengelernt hatte und mit der er Zeit seines Lebens zusammenblieb. Allerdings wurden seine freien, demokratischen Ansichten im sowjetischen Sektor und beim Berliner Rundfunk immer weniger toleriert. Das führte zu Auseinandersetzungen, so dass er sich im Juni 1948 entschloss, zum RIAS in den US-amerikanischen Sektor zu wechseln. Enthusiastisch begann er in dessen Schöneberger Funkhaus seine neue Tätigkeit als Aufnahmeleiter bei Regisseur Erik Ode. Bei den „Insulaner“-Sendungen des Kabarettisten Günter Neumann führte Rosenthal selbst die Regie.Quiz-Erfolg und Fußball-Begeisterung
Sein größter Erfolg wurde jedoch ab 1971 das vom Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) produzierte Ratespiel „Dalli Dalli“. Mit Temperament, Berliner Pfiffigkeit, Herz und Schnauze machte Hans Rosenthal die Sendung zu einer mitreißenden Fernseh-Show. Zahlreiche Preise ermutigten ihn und die mitwirkenden Freunde – den Musiker Heinrich Riethmüller und den Schnellzeichner Oskar (Hans Bierbrauer) – das Konzept kontinuierlich weiterzuentwickeln.Mit beiden verband Hans Rosenthal noch eine andere Leidenschaft – das Fußballspielen. Im August 1946 hatte sich Rosenthal beim Berliner Magistrat eine Spielberechtigung für Fußball besorgt. Beim Berliner Rundfunk stellte er daraufhin eine Mannschaft auf, die am 16. November 1946 gegen eine Auswahl des RIAS antrat.
Wenige Jahre später spielte Rosenthal in einer von den Kabarettisten Wolfgang Neuss und Wolfgang Gruner gegründeten Prominenten-Elf, die sich dem in Westend beheimateten Fußballclub Tennis Borussia Berlin anschloss und im dortigen Mommsenstadion trainierte.
Rosenthals Markenzeichen aus der Quiz-Show „Dalli Dalli“ lebt bei Tennis Borussia ebenfalls fort: Bei jedem Treffer der Heim-Mannschaft erscheint auf der Anzeigetafel das Fernsehbild des im Luftsprung „eingefrorenen“ Showmasters. Auf die Frage „Sie sind der Meinung, das war…“ antwortet das Publikum im Chor: „Spitze!“
Engagement für jüdisches Leben
1980 veröffentlicht Hans Rosenthal seine Biografie „Zwei Leben in Deutschland. Eine deutsch-jüdische Geschichte“. Überhaupt war der Showmaster „Hänschen“ Rosenthal, wie er oft liebevoll genannt wurde, nur eine Seite des Holocaust-Überlebenden, der unter der nationalsozialistischen Diktatur nahe Angehörige verloren hatte. Die andere Seite war sein Engagement für jüdisches Leben in der Bundesrepublik und in West-Berlin.
„Mein eigenes Leben (…) war wie ein verkleinertes Spiegelbild dessen, was diesem Lande widerfahren ist, das ich – trotz oder gerade wegen der Leidenszeit, die mir auferlegt war – als Vaterland empfinde. Aus der Zeit totaler Verdunkelung ging der Weg der Deutschen in helles Licht. Es war manchmal grell und nicht immer wärmend. Aber es war ein Glücksfall vor dem Hintergrund der Kälte, aus der es keinen Ausweg zu geben schien.“
Als Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland und als Vorsitzender der Repräsentanten-Versammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin förderte und unterstützte Rosenthal das nach dem 2. Weltkrieg neu entstehende jüdische Leben nach Kräften. Seine beiden Kinder erzog er im jüdischen Glauben. Auch für humanitäre, soziale und politische Themen setzte er sich ein. Dabei half ihm seine bundesweite Prominenz.
Im Frühling 1983 sollte in Bad Hersfeld (Hessen) ein Kameradschaftstreffen von ehemaligen Angehörigen der nationalsozialistischen Waffen-SS stattfinden. In seiner Quiz-Show „Dalli Dalli“ rief Rosenthal deshalb am 19. Mai 1983 den dortigen Bürgermeister öffentlich dazu auf, das Treffen zu verhindern. In der Folge gingen beim ZDF antisemitische Schmähbriefe gegen den Showmaster ein. Das Kameradschaftstreffen fand trotz Rosenthals Appell statt, sah sich aber Protesten aus der Bevölkerung ausgesetzt, begleitet von Solidaritäts-Botschaften aus dem In- und Ausland. Noch bis 1986 moderierte Hans Rosenthal „Dalli Dalli“. Am 10. Februar 1987 starb er in Berlin.
Gedenken
Spuren in Berlin
Am Haus in der Winsstraße 63 in Prenzlauer Berg markiert eine Gedenktafel den Ort, an dem Hans Rosenthal seine Kindheit verbrachte. In Lichtenberg erinnert eine Gedenktafel in der Bernhard-Bästlein-Straße 22 an seine Zeit im Versteck in der damaligen Kleingarten-Kolonie „Dreieinigkeit“. Am 2. April 1993 wurde der Platz vor dem ehemaligen RIAS-Funkhaus in Schöneberg Hans-Rosenthal-Platz benannt. Tennis Borussia Berlin gedenkt seines ehemaligen Ersten Vorsitzenden, indem es die Sportanlage Kühler Weg in Westend nach ihm benannte. Und seit 2012 trägt das Stadtbad Schöneberg seinen Namen, denn dort lernte Hans Rosenthal mit 25 Jahren das Schwimmen, was ihm in seiner Jugend durch die NS-Verfolgung verwehrt geblieben war.
Dieser Text ist eine erweiterte Fassung des Beitrags „Hans Rosenthal – springender Spielmeister“ von Bärbel Reißmann, 2012 erschienen im Katalog zur Ausstellung „BERLIN macher: 775 Porträts – ein Netzwerk“ des Stadtmuseums Berlin im Museum Ephraim-Palais (Verlag: Kerber Forum). Redaktionelle Nachbearbeitung: Heiko Noack.