Harald Juhnke als Archie Rice in John Osbornes Stück „Der Entertainer“ am Renaissance-Theater in der Hardenbergstraße (Charlottenburg), 1987
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Harry Croner

Harald Juhnke

Der Berliner Schauspieler und Entertainer Harald Juhnke (1929 – 2005) war bekannt für sein Charisma, seinen Humor und für sein Talent. Sein Leben war zugleich geprägt von Alkohol-Abhängigkeit, Affären und Skandalen.

von Heiko Noack
  • 1929: Geburt am 10. Juni in Berlin-Charlottenburg
  • 1948: verlässt die Schule, erster Bühnenauftritt
  • ab 1950: Engagements an Theatern in Neustrelitz und Berlin
  • 1953: erste Ehe mit Schauspielerin Sibyl Werden
  • 1950er/1960er Jahre: Karriere als Schauspieler in Unterhaltungsfilmen
  • 1963: zweite Ehe mit Schauspielerin Chariklia Baxevanos
  • 1971: dritte Ehe mit Schauspielerin Susanne Hsiao
  • ab 1977: Fernseh-Auftritte in Unterhaltungsserien, Sketchen und Shows
  • 1992: Comeback als Charakter-Darsteller in der Film-Komödie „Schtonk“
  • 1995: Verarbeitung seiner Alkoholabhängigkeit im Film „Der Trinker“
  • 1996: Rolle als „Hauptmann von Köpenick“ am Berliner Maxim-Gorki-Theater
  • 2000: Diagnose Korsakow-Syndrom (Gedächtnisstörung)
  • 2005: Tod am 1. April in Rüdersdorf bei Berlin
AUS DEM SONG „BARFUSS ODER LACKSCHUH“, 1989:
„Barfuß oder Lackschuh, alles oder nichts? Leg ich mir ‘nen Frack zu oder komm ich vor Gericht? Barfuß oder Lackschuh, so geht es bei mir zu, nie die goldene Mitte, immer volles Risiko“
Harald Juhnke

Wie in seinem Song „Barfuß oder Lackschuh“ von ihm selbst besungen, bewegte sich das Leben von Harry Heinz Herbert Juhnke, besser bekannt als Harald, zwischen den Extremen. Sein Lebensweg führte ihn von einer Mietskaserne im „Arbeiterbezirk“ Wedding  zu einer eigenen Villa im Grunewald. Er stand für Berliner Kiez und Weltstadt, Anspruchsvolles und Banales, Spaß und Ernst, Aufstieg und Absturz.

Erste Engagements

Geboren wurde Juhnke als Sohn eines Polizisten und einer Bäckerstochter in Charlottenburg. Von einem Freund ermutigt, entschied er sich, statt Bäcker Schauspieler zu werden. 1948 verließ er die Schule und ging zum Theater.

Nach ersten Engagements in ernsthaften Rollen begann in den 1950er Jahren Juhnkes Karriere vor der Kamera. Dort war er meist als schnoddriger Berliner, linkischer „Hanswurst“ oder junger Herzensbrecher in Heimatfilm-Komödien zu sehen. In seiner Autobiografie „Sieben Leben“ schrieb Juhnke 1998 darüber: „Wenn das Telefon klingelte und irgendeine halbseidene Figur bot mir eine Filmrolle an, interessierten mich in den fünfziger Jahren nur drei Fragen: Wie hoch ist die Gage für den Quatsch? Wie hübsch sind meine Partnerinnen? Wo wird der Heuler heruntergespult, wie sonnig ist es dort?”
Die österreichische Schauspielerin Susanne von Almassy (1916 – 2009) und Harald Juhnke, ca. 1953-55
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Harry Croner
Karlheinz Böhm, Bibi Johns und Harald Juhnke spielten die Hauptrollen in dem 1959 erschienenen Revuefilm „La Paloma“ von Regisseur Paul Martin
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Harry Croner

Affären und Alkohol

Früh spielten Frauen eine zentrale Rolle in Juhnkes Leben. Die Berliner Boulevardzeitung B.Z. schrieb anlässlich seines Todes im April 2005 in einem Nachruf, schon in jungen Jahren habe Juhnke „Alliierten-Offizieren die Fräuleins“ ausgespannt. Es folgten Affären mit Schauspiel-Kolleginnen und zwei kurze Ehen. 1971 heiratete er die Schauspielerin Susanne Hsiao, mit der er bis zu seinem Tod zusammenblieb. Die Affären gingen dennoch weiter, von der Boulevard-Presse genau wie seine Alkohol-Exzesse mit „geldgeiler Schamlosigkeit“ verfolgt, wie die Berliner „tageszeitung“ (taz) 2005 schrieb.
Bereits nach wenigen Jahren überschattete Alkoholmissbrauch Harald Juhnkes Karriere. Das brachte ihm 1959 eine mehrmonatige Gefängnisstrafe wegen Trunkenheit am Steuer, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung und Beleidigung ein, aus der er wegen guter Führung vorzeitig entlassen wurde. 1981 musste er aufgrund eines alkoholbedingten Zusammenbruchs als Showmaster der Musik-Revue „Musik ist Trumpf“ seinen Abschied nehmen. 1984 entließ ihn das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) wegen alkoholbedingter „Unberechenbarkeit“.
Theater-Schauspieler Paul Esser und Harald Juhnke während einer Probe zu dem Stück „Liliom“ des ungarischen Dramatikers Ferenc Molnár am Berliner Hansa-Theater (Moabit), 1970
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Harry Croner

Seine Trunksucht gipfelte 1996 erneut in Gewalttätigkeit. Als Juhnke von einer Kneipen-Tour nach Hause zurückkehrte, schlug er eine Fernsehjournalistin, die vor seiner Haustür mit einem Kamerateam auf ihn wartete. Statt Juhnke verklagte sie – erfolglos – eine Zeitschrift, die ein Foto des Zwischenfalls veröffentlicht hatte. Ein rassistischer Ausfall gegenüber einem Wachmann in Los Angeles erregte 1997 sogar internationale Aufmerksamkeit und fand ein Echo bis in die deutsche Politik. Andererseits: Als das Publikum bei einem Juhnke-Konzert im Berliner Friedrichsstadtpalast 1999 mit Pfiffen und Trampeln auf einen längeren Gast-Auftritt der US-amerikanische Jazz-Sängerin Jocelyn B. Smith reagierte, brach der Entertainer den Auftritt ab – wegen ausländerfeindlicher Zwischenrufe, wie er später äußerte.

Bühne und Fernsehen

Harald Juhnkes Karriere als Schauspieler begann 1948 mit ernsthaften Theater-Rollen auf Berliner Bühnen. Es folgten Engagements am Theater Neustrelitz und an der Freien Volksbühne Berlin. Ab den 1980er Jahren trat er vor allem im anspruchsvollen West-Berliner Boulevard-Theater auf, so im Renaissance-Theater in der Hardenberg-Straße, in der Komödie am Kurfürstendamm (beide Charlottenburg) und im Schloßparktheater (Steglitz). Von 1977 an übernahm Juhnke immer häufiger Rollen für das Fernsehen. Zu sehen war er vor allem in beliebten Comedy- und Vorabend-Serien wie „Ein Mann will nach oben“ (1978), „Ein Mann für alle Fälle“ (1978/79) oder „Ein verrücktes Paar“ (1977–1980), für das er zusammen mit Schauspiel-Kollegin Grit Boettcher die Auszeichnung Goldene Kamera erhielt. Mit viel Berliner Lokal-Kolorit spielte er später in der Erfolgsserie „Drei Damen vom Grill“ (1987–1992) mit.

Auch als Entertainer und Showmaster trat er auf dem Bildschirm in Erscheinung. So führte Juhnke nach dem Tod von Peter Frankenfeld bis zu seinem alkoholbedingten Ausstieg durch die beliebte Fernseh-Revue „Musik ist Trumpf“. Nicht zuletzt als Sänger war Juhnke erfolgreich. Die Texte seiner jazzigen Songs drehten sich oft um Autobiografisches und um Berlin. Seine Neu-Interpretation von Frank Sinatras „New York, New York“ war eine musikalische Liebeserklärung an seine Heimatstadt. Juhnke nannte das Lied „meine eigene Nationalhymne“.

Erst spät erhielt Harald Juhnke erneut Angebote für anspruchsvolle Film- und Bühnen-Rollen. Für seine Darstellung eines leitenden Zeitungsredakteurs in der Film-Satire „Schtonk!“ über die Veröffentlichung gefälschter Hitler-Tagebücher im Magazin „Stern“ erhielt er 1992 den Ernst-Lubitsch-Preis für die beste komödiantische Leistung. In dem Fernsehfilm „Der Trinker“ nach einem Roman von Hans Fallada verarbeitete er künstlerisch seine immer zahlreicheren Alkohol-Exzesse.

Sowohl auf der Bühne des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin-Mitte  als auch in einem 1997 erschienenen Film glänzte Juhnke als „Hauptmann von Köpenick“. Diese Rolle war wie für ihn gemacht: Mit dem realen Schuster Wilhelm Voigt, der am 16. Oktober 1906 – als preußischer Offizier verkleidet – Soldaten unter sein Kommando gebracht, das Rathaus von Köpenick besetzt und die Stadtkasse „beschlagnahmt“ hatte, verbanden ihn seine Wurzeln im einfachen Milieu, sein Wille zum Erfolg, seine Verwandlungskunst und sein komödiantisches Talent.
Harald Juhnke als Wilhelm Voigt in „Der Hauptmann von Köpenick“, Maxim Gorki Theater, 1996
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Marianne Thiele

Nach einer Entziehungskur schien es 1997, als habe sich Juhnke vom Alkohol befreit. Doch sein neues Leben dauerte nur drei Jahre. Bei Dreharbeiten zu dem Film „Zwei unter einem Dach“ versuchte er seine Anspannung durch Alkohol zu lösen. Er betrank sich, erlitt einen Zusammenbruch und kam in ein Krankenhaus. Dort wurde das unheilbare Korsakow-Syndrom diagnostiziert – eine durch Alkoholmissbrauch begünstigte Gehirnschädigung, die zu Gedächtnis- und Bewegungsstörungen führt. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Juhnke in einem Pflegeheim in Rüdersdorf bei Berlin. Dort starb er am 1. April 2005 in einem Krankenhaus. Nach einer Trauerfeier in der Berliner Gedächtniskirche, an der auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit teilnahm, fand Harald Juhnke seine letzte Ruhestätte in einem Ehrengrab auf dem Berliner Waldfriedhof Dahlem.

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