Am 9. September 1873 in Baden bei Wien als ältestes von sieben Kindern der jüdischen Kaufmannsfamilie Goldmann geboren, wuchs Max in einfachen Verhältnissen auf. Während einer Banklehre entdeckte er seine Liebe zum Theater und nahm Schauspielunterricht. Bereits zu Beginn seiner Laufbahn am Wiener Eleventheater 1890 hatte er den Künstlernamen Reinhardt gewählt.
Aus der Provinz nach Berlin
Nachdem er bereits in Rudolfsheim und Salzburg auf der Bühne gestanden hatte, holte ihn der neue Intendant Otto Brahm an das Deutsche Theater nach Berlin. Max Reinhardt mietete ein möbliertes Zimmer in der Friedrichstraße 134 und wurde Ensemble-Mitglied im besten deutschsprachigen Theater der Zeit. Überwältigt von der großstädtischen Bühne und der Stadt nahm Reinhardt die vielfältigen Eindrücke auf und lernte bei Otto Brahm den neuen Schauspielstil des Naturalismus. Neben berühmten Schauspielkolleg:innen stand er in 95 Rollen im Rampenlicht, vor allem in Dramen von Gerhart Hauptmann. Max Reinhardt genügte dies aber bald nicht mehr. Mit Christian Morgenstern und einer Gruppe junger Schauspieler:innen diskutierte er an Künstlerstammtischen neue Spielformen.Im Café Monopol am Bahnhof Friedrichstraße planten sie Gastspielreisen und Kabarettauftritte. Unter dem Namen „Schall und Rauch“ unterhielt die Gruppe seit Januar 1901 mit Parodien und pantomimischen Szenen das Berliner Publikum.
Ein Theater, das den Menschen wieder Freude gibt
Getragen von diesem Zuspruch wurde der Architekt Peter Behrens von Reinhardt beauftragt, einen Tanzsaal Unter den Linden 44 zum Theater umzubauen, das ab 1902 als Kleines Theater firmierte. Mit Spielfreude, Musik, Farbe und Licht sollte das Theater neu belebt werden. Max Reinhardt förderte das Unternehmen tatkräftig, auch als Regisseur, und kündigte seinen Vertrag mit dem Deutschen Theater. Die künstlerischen und finanziellen Erfolge mit Maxim Gorkis Schauspiel „Nachtasyl“ ermöglichten es ihm 1903 zusätzlich das Neue Theater am Schiffbauerdamm zu mieten, um den Publikumsansturm zu befriedigen.
Den eingeschlagenen Weg, alle Künste im Dienste des Dramas zu vereinigen, setzte Reinhardt konsequent fort. In die künstlerische Gestaltung bezog er den gesamten Bühnenraum ein und nutzte dafür alle technischen Neuerungen der Zeit. Unbedingt wollte er die Drehbühne als dramaturgisches Mittel einsetzen.
Direktor eines eigenen Hauses
Mit Hilfe der klugen und weitsichtigen Finanzstrategie seines Bruders Edmund konnte Max Reinhardt 1905 das Deutsche Theater erwerben und grundlegend modernisieren. Als Direktor und Besitzer des ersten Schauspieltheaters der Stadt begann er zielstrebig seine vielfältigen Pläne zu verwirklichen. So nahm bereits am 2. Oktober 1905 die von ihm gegründete Schauspielschule des Deutschen Theaters ihre Tätigkeit auf.
Im Palais Wesendonck wurde der Nachwuchs für das ständig wachsende Ensemble der Reinhardtbühnen ausgebildet. In diesem Palais In den Zelten 21 im Berliner Tiergarten residierte der Theaterleiter auch mit seiner Frau, der Schauspielerin Else Heims, und gehörte fortan zur gehobenen Berliner Gesellschaft. Die Premieren des Deutschen Theaters wurden zum Glanzpunkt des Kulturlebens.
Exklusiv ging es auch in den Kammerspielen zu, einem schon 1906 zum Theater umgebauten, angrenzenden Gebäude. Am 8. November wurde die intime Spielstätte mit Henrik Ibsens Familiendrama „Gespenster“ in der Ausstattung von Edvard Munch eröffnet, und ebenfalls dort wurde Frank Wedekinds im selben Jahr uraufgeführtes „Frühlings Erwachen“ zum Erfolg.
Max Reinhardt erneuerte die Klassiker und Shakespeare-Stücke aus dem Geist und mit den modernen technischen Mitteln seiner Zeit. Ab 1907 gastierte er mit seinen Inszenierungen jährlich auch in zahlreichen anderen deutschen Städten sowie europaweit in Budapest, Moskau, Stockholm, London, Riga, St. Petersburg, Brüssel und Warschau. 1912 folgte das erste Gastspiel in den USA. Um die Person Max Reinhardt, den theatralisch kreativen Mittelpunkt, gruppierte sich ein Gesamt-Ensemble. Gemeinsam mit seinen Mitarbeiter:innen baute er ein Theater-Imperium auf, zu dem von 1915 bis 1918 auch die Berliner Volksbühne und ab 1919 das Große Schauspielhaus gehörte.
Das Große Schauspielhaus
Die Suche nach angemessenen Räumen für die Dramen führte Max Reinhardt zum Arenatheater. Nach spektakulären Gastspielen im Zirkus 1910 und 1911 mit seinem „König Oedipus“ suchte er in Berlin nach einem passenden Gebäude für diese Form des Theaters, bei der das Publikum eine runde Bühne umringt. Schließlich gestaltete Architekt Hans Poelzig den alten Zirkus am Schiffbauerdamm zum Großen Schauspielhaus um. Mit dem Umbau im kompromisslos expressionistischen Stil entstand mit 3200 Sitzplätzen und innovativer Technik das modernste Theater Europas.Bei der Eröffnung mit der antiken Tragödie „Orestie“ am 29. November 1919 wurden Regisseur Max Reinhardt und Architekt Hans Poelzig gefeiert. Aber die Nachkriegsereignisse, die Revolution und der Kampf um die erste deutsche Republik zwangen ihn das unsichere Deutschland zu verlassen und seine Aktivitäten ins ruhige Salzburg zurück zu verlagern.
Mitbegründer der Salzburger Festspiele
Auf dem Salzburger Domplatz unter freiem Himmel setzte Max Reinhardt am 22. August 1920 den schon 1911 in der Zirkusarena uraufgeführten „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal in Szene. Damit begann die Erfolgsgeschichte der Salzburger Festspiele. Bereits zwei Jahre vorher hatte Reinhardt Schloss Leopoldskron bei Salzburg erworben und intensiv mit Hofmannsthal an der Idee „festlicher Spiele“ gearbeitet. Außerdem eröffnete er in Wien das Theater in der Josefstadt.
In den Jahren von 1920 bis 1924 vorwiegend in Salzburg und Wien tätig, kehrte er nach dem sensationellen Erfolg von Georg Bernhard Shaws „Die heilige Johanna“ – mit Elisabeth Bergner in der Titelrolle – nach Berlin zurück.
Rückkehr nach Berlin
Im sich entwickelnden Westen Berlins suchte Reinhardt nach einer neuen Spielstätte. Eine gute Gelegenheit bot sich am Kurfürstendamm 206, als der geplante Umbau des Gebäudes zu einem Filmtheater 1923 scheiterte. Der beauftragte Architekt Oskar Kaufmann löste die reizvolle Aufgabe brillant und baute ein kleines, elegantes Salontheater mit einem zweigeschossigen Logenkranz.Obwohl im hinteren Teil des Gebäudekomplexes gelegen, war das Theater durch einen imposanten Haupteingang direkt vom Kurfürstendamm aus zugänglich. Mit dem Namen „Komödie“ wurde sowohl das Programm verkündet als auch für die neue Unterhaltungsstätte geworben. Zugleich markierte er die Wiederaufnahme der künstlerischen Leitung der Berliner Bühnen durch Max Reinhardt.
Die festliche Eröffnung im November 1924 mit Carlo Goldonis „Diener zweier Herren“ war nicht nur ein großer künstlerischer Erfolg, sondern auch ein gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges. Reinhardt ließ den Theateraufführungen in den Nachtstunden zwischen elf und zwei Uhr noch Revuen folgen, die den Nerv der Zeit trafen.
Triumph in Amerika
Unermüdlich unternahm Reinhardt währenddessen Gastspielreisen. Seit 1912 hatte er viele Male in den USA gastiert. Nach weiteren Erfolgen gastierte das Ensemble der Reinhardt-Bühnen von November 1927 bis Februar 1928 in New York. Die Lust des Regisseurs, ideale Räume für die Theaterstücke zu finden, führte zu einer Reihe von Freilichtaufführungen des „Sommernachtstraums“. Nach dem überwältigenden Erfolg in Kalifornien, vor allem 1934 in der Hollywood Bowl, bot ihm die US-amerikanische Filmgesellschaft Warner Brothers einen Filmvertrag für „Sommernachtstraum“ an.
Gemeinsam mit dem Koregisseur William Dieterle leitete Reinhardt die umfangreichen Dreharbeiten. Die Weltpremiere des später Oscar-prämierten Films fand am 9. Oktober 1935 gleichzeitig in New York und London statt. Am Vorabend war im Hotel „Waldorf-Astoria“ in New York eine große Gala veranstaltet worden.
Zahlreiche Persönlichkeiten, unter ihnen der Physiker Albert Einstein, würdigten Max Reinhardt in Reden, die vom Rundfunk übertragen wurden. Trotz des Jubels und der Anerkennung blieb der kommerzielle Erfolg jedoch aus. Damit waren weitere Filmprojekte vom Tisch.
Bühnenfeste in Berlin
Fünf Jahre vorher stand Max Reinhardt noch im Mittelpunkt der Berliner Theaterwelt. Zum 25-jährigen Direktionsjubiläum Reinhardts am Deutschen Theater veranstaltete der Verein Berliner Presse 1930 ein Bankett in den Festhallen am Zoo im Anschluss an eine festliche Aufführung von Johann Strauss‘ Operette „Die Fledermaus“ im Deutschen Theater. Eine Fülle von Ehrungen, einschließlich der Ehrendoktorwürde der Universitäten Frankfurt am Main und Kiel, würdigten die wegweisende Theaterarbeit des Regisseurs und Bühnenleiters Reinhardt.
Nach der Uraufführung von Hauptmanns „Vor Sonnenuntergang“ im Deutschen Theater 1932 zog Reinhardt sich endgültig von der Direktion zurück. Im Frühjahr 1933 verließ er Berlin und erklärte am 16. Juni in einem Brief aus Oxford an die nationalsozialistische deutsche Regierung seine Ablehnung, weiter in Deutschland zu arbeiten. Den ideellen und materiellen Bestand seines Lebenswerkes übereignete er dem deutschen Volk.
Zuflucht in Amerika
Noch konnte Reinhardt in Wien und Salzburg Regie führen, und im Herbst 1937 reiste er durch die USA. Doch nach der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich im Frühjahr 1938 war eine Rückkehr für ihn ausgeschlossen, obwohl er nicht vorgehabt hatte zu emigrieren. Im selben Jahr wurde sein Schloss Leopoldskron enteignet und sein Name aus der Chronik der Salzburger Festspiele entfernt.Max Reinhardt ging nach Kalifornien und gründete 1938 in Hollywood den „Workshop for Stage, Screen and Radio“. Mit der endgültigen Übersiedlung nach Amerika erhielt er 1940 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Um ein Ensemble-Theater nach europäischem Vorbild einzurichten, zog er 1942 nach New York. Doch alle Theaterprojekte blieben ohne den erhofften Erfolg. Seine letzte Inszenierung, Bruce Hendersons „Son and Soldiers“, fand im Mai 1943 statt. Wenige Wochen nach seinem 70. Geburtstag starb er am 31. Oktober desselben Jahres in New York.
Lebensgeschichte und Theater sind bei Max Reinhardt untrennbar verwoben. So formulierte er es auch selbst: „Ich habe in meinem ganzen Leben nichts Anderes getan, als meine Träume verwirklicht. Nicht restlos glücklich und mit wechselndem Glück, das sterblichen Menschen eben beschieden ist. Aber wenn Träume so stark und lebendig sind, dass sie andere Menschen in ihren Bann ziehen und zum Mitträumen verführen können, so entsteht jene zauberhafte Wirklichkeit, die für mich Theater heißt.“
Seit Juli 2021 präsentiert das Stadtmuseum Berlin originale Zeugnisse aus dem Leben und Schaffen des großen Theatermachers in BERLIN GLOBAL, der Berlin Ausstellung im Humboldt Forum. Dazu zählt unter anderem die Reisetasche von Max Reinhardt aus der Sammlung Professor Leonhard M. Fiedler.