Perrier-Flasche (1928) mit Taufwasser aus dem Jordan
OBJEKT DES MONATS APRIL 2021
Drauf steht „Perrier“, drin ist Wasser aus einem Fluss, der vielen christlichen Gläubigen heilig ist. Doch die Flasche erzählt nicht nur vom Glauben, sondern auch von einer Berliner Familiengeschichte vor dem Hintergrund von Flucht und Vertreibung.
Königliche Abstammung, Krieg und Vertreibung
Marias Urahnin Charlotte Marguérite, die Tochter von Louis I. de Bourbon, Prinz von Condé, wuchs in einem vornehmen südfranzösischen Adelshaus auf. Standesgemäß heiratete sie um 1570 der Marquis Louis de Chaussier. Sie gebar zwei Kinder, lebte jedoch aufgrund politischer Umwälzungen nur wenige Jahre mit ihrem Mann: Louis kämpfte und starb in einem Glaubenskrieg zwischen Katholiken und Protestanten, der schon ihren Vater das Leben gekostet hatte. Da auch ihr eigenes Leben bedroht war, flüchtete sie wie andere protestantischen Glaubens ins Ausland. Als Fremde lebte sie verborgen und in Armut im Rheingau. Noch für ihre Enkel blieb das Leben aufgrund ihrer Herkunft gefährlich. Später, änderten sie den Familiennamen de Chaussier in Schauss und gingen in die Pfalz, später dann nach Berlin.Neubeginn, Erfolgsgarantien und Aufstieg
Flucht und Vertreibung der Hugenotten aus Frankreich lagen knapp achtzig Jahre zurück, als Schneidermeister Jean George Schauss im März 1782 in Berlin seinen Bürgerbrief erhielt. Hier konnte er frei seine Religion ausüben, volle Bürgerrechte genießen und ein französisches Netzwerk erleichterte den sozialen Aufstieg seiner Familie.Marias Vater und die Taufe
Valentin genoss aufgrund des wohlhabenden Elternhauses eine sorglose Kindheit und eine gute Ausbildung: Gymnasium, Studium der Medizin in Berlin und anderenorts, schließlich Promotion. Den Ersten Weltkrieg erlebte er als Sanitäts- und Schiffsarzt. Im Krieg entschloss sich Valentin, die elterliche Wohnung in Berlin aufzulösen und den Besitz nach Itzehoe zu bringen, wo er fortan lebte – eine glückliche Entscheidung, da die Wohnung im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs unterging. Als praktischer Arzt hatte er eine eigene Praxis, gute Kontakte, vielfältige Interessen und das Reisen war seine Leidenschaft. Es folgten Ehe und Kind.Eine seiner Reisen sollte für Tochter Maria besondere Bedeutung erlangen. Von Haifa war Valentin 1928 zum Jordan gereist, um für die Taufe seiner zukünftigen Kinder Wasser in die Mineralwasserflasche zu füllen. Am 8. April 1934 war es soweit. Marias Mutter schrieb in ihr Tagebuch: „Heute ist unser Liebling […] getauft worden. Das Taufwasser hat ihr Papa schon als Junggeselle an der Taufstelle im Jordan geschöpft – in weiser Voraussicht!“
Familienerbe als Vermächtnis
Zeit ihres Lebens bewahrte Maria alle Erinnerungsstücke an ihre Vorfahren: prachtvolle Kronleuchter, die Gemälde des Großvaters Guillaume Ferdinand, selbst ein Armlehnstuhl, in dem sich ihr Urgroßvater von ihm portraitieren ließ. Im Alter entschloss sie sich, den Familiennachlass dem Stadtmuseum Berlin zu übergeben: nahezu den gesamten künstlerischen Nachlass ihres Großvaters sowie weitere bedeutende Zeugnisse aus dem Leben einer über Generationen mit Berlin verwobenen Familiengeschichte, von der die unscheinbare Mineralwasserflasche erzählt.