Aufbrüche. Abbrüche. Umbrüche. Kunst in Ost-Berlin 1985 – 1995
Mit der Eröffnung der Sonderausstellung wird das Museum Ephraim-Palais nach zweijähriger Sanierungszeit wieder für das Publikum geöffnet
Ein Thema, zwei Sammlungen, drei Ausstellungsorte – das ist das Motto des gemeinsamen Ausstellungsprojekts Aufbrüche. Abbrüche. Umbrüche. Kunst in Ost-Berlin 1985–1995 der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank und des Stadtmuseums Berlin. Seit 25. August bereits in der Stiftung Kunstforum Berlin Volksbank zu sehen, enden alle drei Ausstellungsbereiche am 11. Dezember 2022. Über die ehemaligen Grenzen von West und Ost hinweg werden in Berlin-Charlottenburg und in Berlin-Mitte exemplarisch Werke von mehr als 50 Künstler:innen sowie ausgewählte Interviews von Zeitzeug:innen aus dem Jahrzehnt um 1990 präsentiert.
Aus den Sammlungen beider Institutionen werden, teilweise erstmalig, Werke der Bildhauerei, Fotografie, Grafik und Malerei dieser Periode gezeigt. Sie waren in den 1980er und 1990er Jahren und später durch gezielte Erwerbungspolitik oder durch Übernahme aus den sich auflösenden Behörden und Massenorganisationen der DDR in die Sammlung des damaligen Ost-Berliner Märkischen Museums gelangt. Die ursprünglich West-Berliner Kunstsammlung der Berliner Volksbank hatte bereits seit Mitte der 1980er Jahre Kunst aus der DDR gesammelt.
Paul Spies, Direktor des Stadtmuseums Berlin:
„Die Gemeinschaftsausstellung Aufbrüche. Abbrüche. Umbrüche. Kunst in Ost-Berlin 1985-1995 vom Stadtmuseum Berlin und der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank beleuchtet mit den Werken ausgewählter Ost-Berliner Künstler:innen eine Epoche, die in der Wahrnehmung der heutigen Kunstwelt oft in Vergessenheit geraten ist. Wie falsch und ungerecht das ist, lässt sich an der Qualität der hier ausgestellten Arbeiten ablesen. Es ist mir eine große Freude, an der Aufwertung dieser oft vernachlässigten Gruppe mitarbeiten zu können.“
Die Ausstellung in den Museen Nikolaikirche und Ephraim-Palais zeigt die Vielfalt künstlerischer Positionen und Entwicklungen in dem Jahrzehnt zwischen 1985 und 1995. Diese bewegen sich zwischen Figuration, Abstraktion und Aktion, wie in Arbeiten von Walter Libuda, Harald Toppel und Kurt Buchwald zu sehen. Sachliche Erfassung, allegorische Umschreibung und groteske Überspitzung sind Charakteristika der Werke von Ulrich Wüst, Volker Stelzmann und Hans Scheib. Thomas Günther, Sabine Jahn und Hans Ticha zeigen in ihrem Anknüpfen an die Popart Lust an der Provokation, die in ihrer Entstehungszeit bisweilen im Verborgenen bleiben musste.
In den Blick geraten auch die sich wandelnden Bedingungen, unter denen Kunst in Ost-Berlin entstand und gesammelt wurde. Darüber geben die Essays der Begleitpublikation Auskunft. In eigens durch art/beats, Felix von Boehm, für das Projekt geführten Interviews, die in den Ausstellungen und online zu sehen sind, erzählen die Künstler:innen Manfred Butzmann, Uta Hünniger, Sabine Herrmann und Klaus Killisch, Sabine Peuckert sowie Berndt Wilde von ihren Erlebnissen, reflektieren das Spannungsfeld von politisch gesetzten Grenzen, persönlichen Freiheiten und ökologischen Themen sowie die sich ab 1990 rasant wandelnden Arbeits- und Besitzverhältnisse.
Albrecht Henkys, Projektleiter und Kurator des Museums Nikolaikirche dazu:
„Die Ausstellung gibt einen Blick auf Teile einer weitaus größeren Sammlung von Ost-Berliner Kunst aus der wechselvollen Epoche um 1990 frei. Diese hat ihren Anfang im Auftrag des früheren Märkischen Museums, sich auch der Berliner Gegenwartskunst zu widmen. Die so entstandenen Verbindungen in die Ost-Berliner Künstlerschaft, die teilweise bis heute andauern, führten zu zahlreichen Schenkungen. So wuchs ein Bestand an, dessen Bedeutung in der Öffentlichkeit noch zu wenig bekannt ist.“
Die Ausstellung macht deutlich, dass viele der Ost-Berliner Künstler:innen sich von den Auf- und Umbrüchen der Zeit inspirieren ließen und sowohl ihre Themen als auch das Farb- und Formenspektrum erweiterten – wie bei der Malerin Sabine Peuckert und der Malerin und Grafikerin Ursula Strozynski zu sehen. Andere blieben im Wesentlichen ihrer inhaltlichen und formal-ästhetischen Ausrichtung treu, so auch die Maler Konrad Knebel und Harald Metzkes. Wieder anderen blieben nach der politischen Wende ein Neuanfang und öffentliche Wahrnehmung verwehrt. Einige von ihnen hatten schon zuvor wegen ihrer konträren Anschauungen im reglementierten Kunstbetrieb der DDR keinen Platz gefunden. Hier kann der Maler und Grafiker Frits Esenwein genannt werden. Die meisten fanden jedoch neue Wege, ihre Arbeiten zu zeigen und in Netzwerken zu verorten.
Die Ausstellungsbereiche sind weder chronologisch noch streng thematisch strukturiert, sondern zeigen Werkgruppen und einzelne Werke von Künstler:innen aller vier Gattungen. Diesem Ordnungsprinzip folgend haben beide Institutionen Leihgaben aus ihren Beständen an den drei Ausstellungsstandorten ausgetauscht. Während in der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank Arbeiten von rund 25 Künstler:innen zu sehen sind, erwarten die Besucher:innen im Museum Nikolaikirche und im Museum Ephraim-Palais des Stadtmuseums Berlin in Berlin-Mitte mehr als 100 Einzelwerke und Werkserien von rund 35 Künstler:innen.
Mit Aufbrüche. Abbrüche. Umbrüche. Kunst in Ost-Berlin 1985–1995 nimmt das Stadtmuseum Berlin nach den beiden erfolgreichen kulturhistorischen Ausstellungen zur Zeit der Teilung „West:Berlin. Eine Insel auf der Suche nach Festland“ (2014/2015) und „Ost-Berlin. Die halbe Hauptstadt“ (2019) im Museum Ephraim-Palais nun mit einer Kunstausstellung eine besondere Phase der Stadtgeschichte in den Fokus, die von der Endphase der DDR bis zum Zusammenwachsen beider Stadthälften reicht und in den Ereignissen der Jahre 1989/90 kulminierte.
Zur Ausstellung erscheint ein 191 Seiten umfassender und mit 72 ganzseitigen sowie 41 weiteren Farbabbildungen versehener Ausstellungskatalog.
Die Ausstellungen sind bis zum 11. Dezember 2022 in Berlin-Charlottenburg bzw. Berlin-Mitte zu sehen. In der sich ergänzenden Künstler:innenauswahl bietet das Kunstprojekt in der Zusammenschau ein facettenreiches Bild der (Ost-)Berliner Kunstszene um 1990.