Sammlung zur Ost-Berliner Kunst am Stadtmuseum Berlin wächst
Künstler:innen der Ausstellung “Aufbrüche. Abbrüche. Umbrüche. Kunst in Ost-Berlin 1985–1995” überlassen dem Stadtmuseum Berlin ausgewählte Werke als Schenkung
Noch bis zum 11. Dezember sind in den Museen Ephraim-Palais und Nikolaikirche des Stadtmuseums Berlin sowie in der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank Werke von über 50 Künstler:innen zu sehen. Die Werke zeigen teils überraschende Parallelen zwischen der von radikalem Wandel geprägten Zeit ihrer Entstehung und den heutigen Krisen und Umbrüchen.
Zu den gezeigten Arbeiten zählt unter anderem der Entwurf für das Plakat einer Ausstellung im Märkischen Museum von 1991 mit dem Titel Heizperiode, das ironisch auch auf aktuelle Debatten verweist.
Das Stadtmuseum Berlin gibt mit der Doppelausstellung beeindruckende Einblicke in seine Bestände, deren Umfang und Vielfalt ohne die tiefe Verwurzelung der Institution in der Ost-Berliner Kunstszene nicht möglich gewesen wäre. Schon im Vorfeld und bisherigen Verlauf des Projekts Aufbrüche. Abbrüche. Umbrüche. Kunst in Ost-Berlin 1985–1995 haben darin vertretene Künstler:innen wichtige Werke als Schenkung angeboten – darunter die monumentale Skulptur Seele brennt von Klaus Killisch, die im Museum Nikolaikirche ausgestellt ist, und Sabine Grzimeks Aus dem Wasser Steigender, zu sehen im Museum Ephraim-Palais.
Inzwischen sind weitere Schenkungen angekündigt worden oder bereits in der Sammlung eingetroffen. Allen voran überlässt der Maler, Grafiker und Bildhauer Wolfgang Leber dem Stadtmuseum Berlin mit etwa 1200 Blättern sein gesamtes druckgrafisches Werk. Die jeweils mit einem Abzug enthaltenen Radierungen, Lithografien, Zinkografien, Holz- oder Linolschnitte von 1964 bis 2020 werden ergänzt durch Unikate, wie übermalte Drucke und Monotypien.
Auch der Fotograf und Aktionskünstler Kurt Buchwald gehört zu den Schenker:innen. Buchwald überlässt dem Stadtmuseum Berlin das Tableau Körper Straße Stadt Berlin. Es besteht aus zwölf Fotografien und verknüpft drei seiner frühen Arbeiten: Berliner Ecken (1981), die Aktion Überliegender (1982) und Landschaft & Bewegung (1985–87). Bereits eingetroffen sind druckgrafische Einzelarbeiten und Mappenwerke der Malerin und Grafikerin Karla Woisnitza, bald zu erwarten ist die Übergabe einer Skulptur des Bildhauers und Malers Frank Seidel.
“Heizperiode”
Zu den gezeigten Arbeiten zählt unter anderem der Entwurf für das Plakat einer Ausstellung im Märkischen Museum von 1991 mit dem Titel Heizperiode, das ironisch auch auf aktuelle Debatten verweist.Zur Motivation für seine Schenkung befragt, äußert Kurt Buchwald: „Das Tableau zeigt die Stadt zu einer Zeit, als deren Wunden – die heute weitgehend wieder bebaut sind – noch zu sehen waren. Auf diesem Areal agiere ich als Aktionskünstler, liege auf der Straße oder fahre mit der Kamera durch die Häuserschluchten. Die Spuren der Nachkriegszeit in den 1980er Jahren werden in den Bildern erlebbar – eine äußerst kreative Zeit für Künstler insbesondere im Prenzlauer Berg. Es ist wichtig, das für künftige Generationen festzuhalten.“
Wolfgang Leber vergleicht die Jahre des Umbruchs um den Fall der Mauer mit dem aktuellen Verlust von Gewissheiten und Illusionen: „Das war eine nervöse Zeit damals, keine Zeit für Gelassenheit. Auch wenn sich dann viele Hoffnungen nicht erfüllt hatten, dachte man immerhin, das ist es jetzt, so geht es jetzt immer weiter. Anstatt dessen ist inzwischen wieder die Nervosität zurück.“
„Wir freuen uns sehr, künstlerische Zeugnisse aus dieser Zeit der Veränderungen zu erhalten“, so Paul Spies, der Direktor des Stadtmuseums Berlin, „und dass die Sammlung des Stadtmuseums und damit des Landes Berlins erweitert wird mit künstlerischen, aber auch historischen Zeugen einer sehr wichtigen Zeitspanne der Berliner Geschichte, die manche Künstler wieder ins Licht rückt.“
Zu sehen sind in der Ausstellung Aufbrüche. Abbrüche. Umbrüche. Kunst in Ost-Berlin 1985–1995 noch bis zum 11. Dezember Werke von mehr als 50 Künstler:innen sowie ausgewählte Interviews mit Erinnerungen an das Jahrzehnt um 1990.
Die Ausstellung macht deutlich, dass viele der Ost-Berliner Künstler:innen sich von den Auf- und Umbrüchen der Zeit inspirieren ließen und das Spektrum ihrer künstlerischen Ausdrucksmittel erweiterten. Einigen von ihnen blieben nach der politischen Wende ein Neuanfang und öffentliche Wahrnehmung verwehrt. Schon zuvor hatten sie oft wegen ihrer konträren Anschauungen im reglementierten Kunstbetrieb der DDR keinen Platz gefunden. Die meisten fanden jedoch neue Wege, ihre Arbeiten zu zeigen. Zur Ausstellung ist ein 191 Seiten umfassender und mit 72 ganzseitigen sowie 41 weiteren Farbabbildungen versehener Ausstellungskatalog erschienen.