Die Avus: Beginn und „glorreiche” Zeiten
Teil 1 (1921 – 1945)
Die Vorgeschichte der Avus beginnt im Januar 1909 mit der Gründung der Automobil-Verkehrs-und Übungsstraße GmbH durch wohlhabende, private Automobilbesitzer unter Beteiligung der Autoindustrie. Hintergrund war das schwache Abschneiden deutscher Fahrzeuge bei vorherigen Rennen gegenüber der internationalen Konkurrenz. Eine „Nur-Auto-Straße“ für Übungs-, Test- und Rennzwecke sollte her, denn zu jener Zeit teilten sich die wenigen motorisierten Fahrzeuge die Straßen noch mit Fußgängerinnen und Fußgängern sowie Pferdefuhrwerken, und zunehmend kam man sich gegenseitig in die Quere. Die Avus sollte diesem Missstand abhelfen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie fördern, wie so ähnlich in Großbritannien und den USA bereits geschehen.
Die Bauarbeiten begannen im Jahr 1913. Schon im Herbst 1914 sollte die Rennstrecke eröffnet werden. Kurz vor der Vollendung jedoch begann der Erste Weltkrieg und die Strecke lag in der Folge jahrelang brach. Nach 1918 war an eine Beseitigung der durch die Vernachlässigung entstandenen Schäden nicht zu denken. Erst auf Initiative privater Geldgeber konnte die Avus fertiggestellt und am 24. September 1921 mit einem zweitägigen Autorennen endlich eingeweiht werden.
Eröffnet wurde die Avus am 24. und 25. September 1921 standesgemäß mit einem Rennwochenende, nur fünf Tage nachdem sie fertiggestellt worden war. An den beiden Tagen besuchten jeweils rund 300.000 Zuschauer:innen die ausgetragenen Rennen. Von Beginn an war die Avus ein Publikumsmagnet, obwohl bei diesen Eröffnungsrennen keine internationalen Fahrer vertreten waren, denn noch immer war infolge des Ersten Weltkriegs ein Boykott der Siegermächte in Kraft. Als erster Rennfahrer überquerte Fritz von Opel die Ziellinie, der später noch in seinem raketenbetriebenen Auto, dem „RAK2“, für Furore sorgen sollte.
Opel Raketenantriebsprogramm – Rocket Propulsion Program, 1928/1929
Aufgrund der nahezu schnurgeraden Streckenführung bot sich die Avus für allerhand technische Experimente und Rekordversuche an. Mit Hilfe eines aus 24 Feststoffraketen bestehenden Antriebs brachte von Opel seinen „RAK2“ so auf damals sagenhafte 238 Stundenkilometer.
Der Große Preis von Deutschland
Nach der erfolgreichen Eröffnung wurde es die kommenden Jahre etwas ruhiger um die Strecke. Motorradrennen und kleinere andere Rennen dienten als „Lückenfüller“, bis 1926 mit dem „Großen Preis von Deutschland” die nächste Großveranstaltung auf der Avus ausgetragen wurde. Wieder kamen Hunderttausende, um bei dem Wettbewerb mitzufiebern.
Im Gegensatz zur Eröffnung fünf Jahre vorher waren nun auch wieder internationale Fahrer aus Italien, der Tschechoslowakei, Frankreich und der Schweiz mit am Start. Bei diesem Rennen machte sich ein junger Fahrer aus Deutschland das erst Mal einen Namen: Rudolf Caracciola. Er holte auf seinem Mercedes-Benz den Rennsieg und stellte dabei mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 154,8 Stundenkilometern einen neuen Rundenrekord auf – trotz widriger Streckenverhältnisse bei starkem Regen, was ihm den respektvollen Beinamen „Regenmeister“ einbrachte.
1926 German Gran Prix Win for Caracciola
Ungeachtet dieses Erfolges galt der „Große Preis“ als Unglücksrennen, das den Ruf der Avus immens beschädigte. Bei mehreren Unfällen starben insgesamt vier Menschen, ein Fahrer und drei Helfer. Der auf der Avus genutzte Asphalt setzte bei Regenfall Öle frei, wodurch die Strecke spiegelglatt wurde. Schon jetzt galt sie nicht mehr als zeitgemäß, woraufhin der „Große Preis von Deutschland“ fortan auf dem 1927 eröffneten Nürburgring in der Eifel ausgetragen wurde. Erst 1931 fanden wieder Rennen auf der Avus statt, wobei der „Regenmeister“ seinen eigenen Rundenrekord von 1926 um rund 30 Stundenkilometer ausbauen konnte.
Instrumentalisierung durch die Nazis
In den Jahren 1932 und 1933 waren es ausländische Fahrer, welche die Siege bei den Avus-Rennen einfuhren. Was den ab 1933 herrschenden Nationalsozialisten natürlich nicht gefiel. Sie wollten die Begeisterung für den Rennsport für ihre Propaganda nutzen und die behauptete Überlegenheit der Deutschen „beweisen“. In der Folge steckten sie viel Geld in die Förderung des Rennsports und der heimischen Fahrzeughersteller. Es begann die Zeit der berühmten „Silberpfeile“, leistungsstarker Rennwagen von Mercedes-Benz in der damals unüblichen metallischen Farbe von Aluminium. Immer leistungsfähigere Motoren und sorgten für immer höhere Geschwindigkeiten. Diese lagen mit rund 350 Stundenkilometern über heutigen Geschwindigkeiten in der Formel 1.
Im Jahr 1936 wurde die noch heute sichtbare Haupttribüne zwischen der Avus und dem Messedamm erbaut. Sie ist 200 Meter lang und bot Platz für rund 4.000 Zuschauer:innen. Zeitgleich zur Tribüne wurde die alte Nordschleife durch eine massive, 8 Meter hohe und 18 Meter breite Steilkurve ersetzt. Sie machte die Avus über Jahrzehnte zur schnellsten Strecke der Welt, da die Fahrer gegenüber den Geraden kaum abbremsen mussten, was ein prägender Teil des Mythos wurde. Dieser Streckenabschnitt war allerdings auch extrem gefährlich. Die Fliehkräfte drückten die Wagen an den äußeren Rand der Fahrbahn und machten die Kurve äußerst unfallgefährlich. In den Folgejahren sollten hier noch mehrere Rennfahrer ihr Leben lassen. Das Eröffnungsrennen nach erfolgtem Umbau war 1937 aber für lange Zeit das letzte große Rennen auf der Avus. Der Zweite Weltkrieg setzte dem Rennbetrieb ein vorläufiges Ende. 1939 wurde die bis dahin private Avus an das Deutsche Reich verkauft und 1940 an den Berliner Ring angeschlossen. Bis Kriegsende 1945 diente sie ausschließlich dem Straßenverkehr.