Kinder beim Kreisspiel (1924), Lithografie von Heinrich Zille (1858–1929)
© Stadtmuseum Berlin

Vergnügen am Stadtrand

von Andreas Teltow

Um Berlin (Teil 5)

Der Stadtrand bietet bis heute Ausgleichsmöglichkeiten zum Alltag in der Stadt. An den Wochenenden stand dafür um 1920 nur der Sonntag zur Verfügung, da der Samstag noch ein Arbeitstag war. Zahlreiche Attraktionen lockten die Berliner:innen hinaus.

So gab es bereits vor dem Ersten Weltkrieg Flugtage auf dem damaligen Flugplatz Johannisthal, wie eine Zeichnung von Paul Paeschke eindrucksvoll belegt. Ein Plakat von 1931 wirbt für den Großen Flugtag in Tempelhof – noch vor der baulichen Neugestaltung des Flughafens in den späten 1930er Jahren. Sportliche Aktivitäten auf den Berliner Trabrennbahnen oder beim Drachensteigen in Spandau haben die  Arbeiten von Max Slevogt und Johannes Poesenecker zum Thema. Eine Zeichnung von Heinrich Zille führt an den Wannsee, an dessen Ufer bis heute das größte Berliner Strandbad liegt. An den Berliner Gewässern lockten in der warmen Jahreszeit zahlreiche Ausflugsgaststätten das Publikum an, wovon zwei gebrauchsgrafisch gestaltete Werbeplakate für Lokale in Rauchfangswerder (Schmöckwitz) und am Orankesee (Hohenschönhausen) zeugen.

Flugtag auf dem Flugplatz Johannisthal (1911), Kohlezeichnung von Paul Paeschke (1875–1943)
© Stadtmuseum Berlin

Zwischen Adlershof und Johannisthal gelegen, nahm im September 1909 der zweite Motorflugplatz Deutschlands – einer der frühesten weltweit – den Betrieb auf. Bis zur Eröffnung des Flughafens Tempelhof im Jahr 1923 wurde er für die zivile Luftfahrt genutzt. Das Gelände im heutigen Bezirk Treptow-Köpenick ist heute teilweise bebaut, ein großer Teil des ehemaligen Flugfeldes als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs war der Johannisthaler Flugplatz eine vielbesuchte internationale Attraktion mit Vorführungen zahlreicher Fliegerpioniere, die, wie auf dem Bild sichtbar, ihre Runden über dem Gelände mit seinen zwei gewaltigen Luftschiffhallen drehten. 

Drachensteigen in Siemensstadt (um 1930), Bleistiftzeichnung von Johannes Poesenecker (1897–1969)
© Stadtmuseum Berlin
Poeseneckers expressionistisch anmutende Zeichnung thematisiert einen nicht nur in Berlin beliebten Volkssport: das Drachensteigen. Die im Hintergrund sichtbaren Wohnhäuser sind dem Neuen Bauen zuzuordnen. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um die Spandauer Großsiedlung Siemensstadt zwischen Jungfernheideweg, Goebelstraße und Heckerdamm. Sie wurde 1929 bis 1932 nach Entwürfen namhafter Architekten für die Belegschaft der Siemenswerke errichtet und 2008 mit fünf weiteren Berliner Siedlungen des Neuen Bauens in das Unesco-Verzeichnis des Weltkulturerbes aufgenommen.  
 
Die Lithografie erschien 1924 zusammen mit weiteren von Heinrich Zille in dem Buch „Komm, Karlineken, komm! Alte Berliner Kinder-Reime“ im Verlag des Berliner Galeristen und Kunsthändlers Fritz Gurlitt. Zilles eigenständige Motive sind weit mehr als nur reine Illustrationen der in dem Band von Alfred Richard Meyer zusammengetragenen Verse. Das vorliegende Bild zum Gedicht „Freibad“ zeigt paarweise im Kreis aufgestellte Kinder in Badekostümen beim Spielen. Im Hintergrund wird das Ufer des Strandbades Wannsee mit einem Anleger und Booten angedeutet.
Kinder beim Kreisspiel (1924), Lithografie von Heinrich Zille (1858–1929)
© Stadtmuseum Berlin

Der Große Flugtag am 7. Juni 1931 auf dem Flughafen Tempelhof bewarb auch die Initiativen des Reichsausschusses zur Förderung des Milchverbrauchs e. V (auch „Reichsmilchausschuss“, RMA). Im Hintergrund der Darstellung sind die 1924 bis 1929 errichteten Empfangsgebäude und Hangars des 1923 für den Linienverkehr geöffneten Flughafens zu erkennen. Der damals an der Spitze des europäischen Flugverkehrs stehende Platz wurde 1936 bis 1941 nach Entwürfen des Architekten Ernst Sagebiel komplett umgebaut und am 30. Oktober 2008 geschlossen.

Mit der Siedlung Rauchfangswerder – auf der Spitze des Schmöckwitzer Werders zwischen den brandenburgischen Gewässern Zeuthener See und Großer Zug im heutigen Stadtbezirk Treptow-Köpenick gelegen – erreicht das Berliner Stadtgebiet seine südlichste Ausdehnung. In dem traditionellen Erholungsgebiet der Stadtbevölkerung befand sich bis in die 1980er Jahre das Restaurant Waldhaus, auf dessen ehemaligem Gelände heute Einfamilienhäuser stehen. Die 1928 bedeutend erweiterte Gaststätte mit drei Sälen, zwei Kegelbahnen, Garten am See und Vergnügungspark bot Raum für 4500 Gäste.  

Werbeplakat für das Kinderfest im Lunapark (1927), farbiger Linoldruck nach einem Entwurf von Herrler (Lebensdaten unbekannt)
© Stadtmuseum Berlin

Der Lunapark war ein am Halensee im Ortsteil Grunewald (heute Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf) gelegener Vergnügungsort. Er ging 1909 aus dem Gaststättenkomplex „Terrassen am Halensee“ hervor und war mit dem benachbarten Rummelplatz-Park für ein Vierteljahrhundert eine vielbesuchte Attraktion. 1934 geschlossen, wurden die Gebäude in der Folgezeit abgerissen und das Gelände unter anderem für die Anlage der Halenseestraße neu gestaltet.

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