Berliner Schlossplatz mit Dom und Schloss, um 1690 (Johann Stridbeck der Jüngere / unbekannte:r Künstler:in)
© Stadtmuseum Berlin | Montage: Heiko Noack

Ein Spaziergang durchs barocke Berlin

von Gerd Heinemann

Um das Jahr 1690 herum erlebte die alte Doppelstadt Berlin/Cölln eine Zeit wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs. Begeben Sie sich mit dem Zeichner Johann Stridbeck dem Jüngeren auf eine Entdeckungstour durch die damalige Boomtown und lassen Sie das verschwundene barocke Berlin in der heutigen Stadt lebendig werden!

Begeben Sie sich mit Stridbeck auf eine Erkundungstour durch Raum und Zeit
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Heiko Noack
Berlin entwickelte sich nach dem Westfälischen Frieden von 1648 rasant. Aus der vom Dreißigjährigen Krieg verwüsteten, noch mittelalterlich geprägten Doppelstadt Berlin/Cölln wurde unter der Regentschaft des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. innerhalb von vierzig Jahren eine hochmoderne Metropole. Neue Stadtteile entstanden, die Bevölkerungszahl verdreifachte sich. Das kurfürstliche Schloss, umgeben von weiteren repräsentativen Gebäuden, beherrschte das Stadtbild. Kunst und Kultur erblühten. Die vorher fast unbekannte Stadt zog immer mehr Menschen von außerhalb an – zu Besuch oder um hier zu leben. Sie hinterließen zum Teil wertvolle und aufschlussreiche Zeugnisse über die damalige Stadt, ihre Gebäude und ihre Sehenswürdigkeiten. Einer dieser Menschen war Johann Stridbeck der Jüngere.
1665 in Augsburg geboren, hatte der Sohn eines Verlegers und Kupferstechers das Kunsthandwerk seines Vaters erlernt. Als Herausgeber von Landkarten und Atlanten machten sich die beiden im deutschsprachigen Raum einen Namen. In den 1690er Jahren ging Johann Stridbeck auf Reisen. Zunächst reiste er nach Berlin, später nach Frankfurt/Oder, Leipzig, Frankfurt am Main und Straßburg. Erst 1700 kehrte er nach Augsburg zurück, wo er 1714 starb. Während seines Berlin-Aufenthalts von 1690/91 hielt Stridbeck das Erscheinungsbild der Stadt und ihrer Sehenswürdigkeiten in 20 Skizzen fest.
Stadtansichten von Stridbeck in der Sonderausstellung „Schloss.Stadt.Berlin.“
© Stadtmuseum Berlin | Foto: Heiko Noack
Modell der Festungsstadt Berlin-Cölln-Friedrichswerder (ohne die Dorotheenstadt) um 1690, Maßstab 1:450, geschaffen 1970/71 von Armin Luda. Das Modell basiert auf dem Perspektivplan „Residentia Electoralis Brandenburgica“ von Bernhard Schultz aus dem Jahr 1688
© Stadtmuseum Berlin

Berlin zur Zeit des Barock

Die, wie Johann Stridbeck schrieb, „beiden kurfürstlichen Residenzstädte Berlin und Cölln an der Spree“ sowie die neuen Ansiedlungen Friedrichswerder und Dorotheenstadt zeigten sich dem Künstler als prachtvolle, barocke Festungsstadt, umgeben von mächtigen Wällen, breiten Wassergräben und 13 vorspringenden Bastionen. Die allumfassende Befestigung der Stadt hatte 25 Jahre gedauert, in denen ein Viertel der Berliner Bevölkerung Tag für Tag Schanz- und Bauarbeiten leisten musste, die erst 1683 mit der Errichtung des Leipziger Tores endeten. Auch die Kosten für den Festungsbau trug fast ausschließlich die Berliner Bevölkerung, dazu die Kosten für die Aufstellung eines stehenden Heeres und die Belastungen durch Einquartierung von rund 1500 Soldaten nebst Familien in den Bürgerhäusern der Stadt. Zur Zeit von Johann Stridbecks Aufenthalt war Berlin also eine Festungs- und Garnisonsstadt. Dies prägte das gesamte gesellschaftliche Leben. Soldaten und Offiziere waren auf den Straßen und Plätzen allgegenwärtig.
Modell des Berliner Schlosses mit aldem Dom (vorne links), dem so genannten Münzturm (hinten links) und Langer Brücke (heute Rathausbrücke, vorne rechts).
© Stadtmuseum Berlin
Schon 1668 hatte die Eröffnung des Oder-Spree-Kanals Berlin zum wichtigen Knotenpunkt an der Wasserverbindung zwischen Schlesien und der Nordsee gemacht. In Friedrichswerder wurden ein Hafen und ein Packhof angelegt. Die Lagerung von Waren und der Handel stärkten Berlins Wirtschaft. Die 1672 gegründete, größtenteils in der Dorotheenstadt ansässige französische Gemeinde wuchs enorm, seit der Kurfürst den wegen ihres protestantischen Glaubens aus Frankreich vertriebenen Hugenott:innen 1685 freien Zuzug, Schutz, Privilegien und Monopole garantierte. Die Neubürger:innen belebten Handel und Gewerbe durch Wissen und Erfahrungen noch weiter. So präsentierte sich Berlin um 1690 als das, was man heute eine Boomtown nennt.

Ein Spaziergang mit Johann Stridbeck

„Guten Tag! Mein Name ist Johann Stridbeck. Ich bin als Zeichner und Kupferstecher aus Augsburg auf Geschäftsreise in Berlin. Wir schreiben das Jahr 1690, und wenn Sie möchten, begeben Sie sich mit mir auf einen Rundgang durch die blühende Residenzstadt! Die Punkte auf der Karte zeigen die Orte an, die ich Ihnen vorstellen möchte. Um sie kennenzulernen, klicken Sie auf eine Zahl oder lesen Sie einfach unterhalb der Karte weiter.“

Garten des Geheimrats Meinders, ehemals Heyde-Kams, bei Berlin nahe dem Leipziger Tor, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin

1. Meindersscher Garten

„Wir nähern uns der Stadt von Südwesten. Unser Weg führt uns zur Leipziger Landstraße. Vor uns liegt ein von kleinen Bäumen gesäumter Weg zum Leipziger Tor. Im Hintergrund können wir schon Häuser der Vorstadt erkennen. Links liegt jenseits des Wassergrabens das stattliche Lusthaus des Geheimen Rats Franz von Meinders. Als wichtiger Ratgeber von Kurfürst Friedrich III. führt er seit 1679 zusammen mit Paul von Fuchs die Regierungsgeschäfte. Dieses schöne Anwesen dient ihm und seiner Familie als Rückzugsort und zur Erholung. Vor dem Lusthaus sowie rechts und links davon erkennen wir Viehställe und ein Taubenhaus. Obwohl man nicht über die Gartenmauer schauen kann, ist bekannt, dass sich dahinter eine große Menge trefflicher Obstbäume, Teiche, zierliche Sommerlauben und eine schöne Orangerie mit Oleander, Granatäpfeln, Pomeranzen und Zitronen befinden.“

2. Leipziger Tor

„Vor uns erheben sich die imposanten Anlagen der Berliner Stadtbefestigung. Hinter dem mehr als 50 Meter breiten Wassergraben sehen wir den 8 Meter hohen und 6 Meter breiten Hauptwall, dazwischen den vorgelagerten, mit Sandsteinplatten belegten Niederwall. Auf diesem befindet sich ein gedeckter Laufgang, damit sich die Soldaten sicher geschützt über die Befestigungsanlagen bewegen können. Unser Weg führt uns entlang des Wassergrabens zu einer hölzernen Zugbrücke. Auf dem Weg dorthin erblicken wir hinter den Festungsmauern eine Reihe schlanker Turmspitzen. Sie gehören zur Marienkirche, zur Domkirche und zur Nikolaikirche. Wir überqueren nun die Brücke und betreten die Stadt durch das Leipziger Tor. Dieses prächtige zweigeschossige Bauwerk ist über 20 Meter hoch. Als Abschluss der Festungsanlage wurde es im Jahre 1683 nach Plänen des Baumeisters Johann Arnold Nering errichtet.“
Blick auf das Leipziger Tors vor Cölln und Berlin, hinter der Festungsmauer die Türme von Marienkirche, altem Dom und Nikolaikirche (von links), Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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Das Hospital bei dem Gertraudentor, zu Cölln und Friedrichswerder gehörend, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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3. Gertraudenhostpital

„Wir betreten den Stadtteil Friedrichswerder. Hier an seinem südlichen Ende, direkt am Festungswall, liegt das Gertraudenhospital. Ursprünglich ein Haus mit Kapelle für unverheiratete adelige Frauen, wurde daraus ein Hospital für mittellose Kranke. Das zu Ehren der heiligen Gertraud – der Beschützerin der Armen, Witwen und Pilger – gestiftete Hospital und die kleine gotische Kirche wurden in den Jahren 1405 bis 1411 erbaut. Damals lagen sie noch außerhalb der Stadt vor dem Gertraudentor.  Von diesem ‚Spital‘ hat übrigens Euer Spittelmarkt seinen Namen.“

4. An der Jungfernbrücke

„Wir spazieren die Oberwasserstraße entlang durch Friedrichswerder. Gegenüber, längs des Schleusenarms der Spree, sehen wir die schönen Häuser der Cöllner Friedrichsgracht. Diese Uferstraße wurde zwischen 1670 und 1681 nach holländischem Vorbild angelegt. Etwas spreeabwärts dahinter liegt die Jungfernbrücke, eine einfache hölzerne Zugbrücke, die den Friedrichswerder mit Cölln verbindet. Ihr ungewöhnlicher Name soll auf die Töchter der französischen Flüchtlingsfamilie Blanchet zurückgehen. Die hübschen Mädchen verkaufen hier nämlich an einem Stand ihre handgemachten Spitzen und Seidenwaren. Da sie außerdem stadtweit für stets aktuelle Neuigkeiten, Klatsch und Tratsch bekannt sind, hört man hier oft: ‚Lass uns zu den Jungfern an der Brücke gehen!‘“
Blick auf Cölln oberhalb der Spree (Friedrichsgracht) an der Jungfernbrücke, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin
Blick auf das Rathaus von Friedrichswerder und das Haus des Herrn von Danckelmann, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin

5. Rathaus von Friedrichswerder

„Als erste Stadterweiterung im Westen der Doppelstadt Berlin-Cölln wurde der Friedrichswerder 1662 durch einen kurfürstlichen Frei- und Schutzbrief zur Stadtgemeinde erhoben. Sie erhielt als drittes Berliner Gemeinwesen einen eigenen Magistrat, eine städtische Verfassung sowie Privilegien und Bürgerrecht. 1668 wurde der Friedrichswerder in die Festungsanlagen einbezogen. Links sehen wir das Rathaus von Friedrichswerder. Im Herzen der neuen Stadt wurde es 1673 fertiggestellt – etwa gegenüber jener Stelle, an der sich später die Türme der Friedrichswerderschen Kirche erheben werden. Es dient nicht nur der Stadtverwaltung, sondern auch als Kirche, Schule, Gefängnis und Folterkammer sowie als Stadtkeller und Brotverkaufsstand. Rechts sehen wir ein ansehnliches dreistöckiges Gebäude. Es wurde nach Plänen von Baumeister Nering für den „Wirklichen Geheimen Staats- und Kriegsrat“ Eberhard von Danckelmann erbaut. Rechts hinter dem Rathaus sind die Türme des alten Domes am Schlossplatz zu erkennen.“

6. Kurfürstliches Jägerhaus

„Die seit 1660 Friedrichswerder genannte Ansiedlung wird vornehmlich von Hofbeamten bewohnt. Vor uns erhebt sich der unlängst fertiggestellte kurfürstliche Jägerhof. Hier wohnt der Oberjägermeister mit seiner Familie. Das stattliche Gebäude wurde wie das jenseits davon gelegene Leipziger Tor nach Plänen von Johann Arnold Nering erbaut. In den niedrigeren Anbauten sind Wohnungen für die Jagdbediensteten, Ställe für Pferde und das Wild sowie Zwinger für die Hunde untergebracht. Auf einem der Häuser im Hof erkennen wir auf dem Turm einen Hirsch als Wetterfahne. Im Hintergrund liegt das ‚krumme Zeughaus‘. Es diente zusammen mit zwei anderen kleinen Magazinen hauptsächlich zur Unterbringung von Holz für Artillerie-Lafetten und -Räder.“
Ansicht des kurfürstlichen Jägerhauses in Friedrichswerder, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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Die Petrikirche (an ihrer Stelle entsteht das „House of One“) in Cölln an der Spree, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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7. Petrikirche

„Zwischen Gertraudenbrücke und Mühlendamm im Cöllner Teil der Doppelstadt steht die Petrikirche, vor deren Südseite wir uns nun befinden. Die dreischiffige gotische Hallenkirche wurde 1379 fertiggestellt. Man erkennt gut den etwas niedrigeren Chor sowie im Vordergrund den Kapellenanbau. Der breite Turm überragt das Mittelschiff nur um ein Stockwerk. Der umliegende, durch eine Mauer gegen die Straße abgeschlossene Platz wird als Kirchhof genutzt. Das mit einem Giebel geschmückte Eckhaus links gehört der Witwe Rieckert, die sehr vermögend sein soll. Dahinter befindet sich das Cöllnische Gymnasium, auch Petrinum genannt. Links hinter der Kirche stehen Häuser der Scharrenstraße. Geradeaus sehen wir schon einige Gebäude des Mühlendamms und rechts davon ein Giebelhaus am Cöllnischen Fischmarkt.“

8. Mühlendamm

„Vom Cöllnischen Fischmarkt mit seinen Giebeln geht unser Blick weiter zum Mühlendamm, der ältesten Verbindung zwischen Cölln und Berlin. Sein Name geht auf den Damm zurück, der zur Zeit der Stadtgründung die einzige feste Verbindung zwischen den Städten Berlin und Cölln war. Hierher führten die durchs Spreetal verlaufenden Fernstraßen. Zudem diente der Mühlendamm als Wehranlage und vor allem als Staustufe für die umliegenden Wassermühlen. Deren Erzeugnisse wurden gleich vor Ort in hölzernen Verkaufsständen feilgeboten. Diese mussten 1687 auf Befehl des Großen Kurfürsten steinernen Gebäuden weichen, als er den Flussübergang weiter befestigen ließ. Wir sehen vor uns eine lange Reihe von Bogenhallen mit darüberliegendem, durch Wandpfeiler gegliedertem Attikageschoss. Die ersten neuen Läden bieten seit Februar 1688 ihre Waren an. Rechts von uns mündet die Fischerstraße ein. Durch das von einem barocken Aufsatz gekrönte Tor in der südlichen Halle – die sogenannte ‚Friedrichs Porten‘ – gelangt man über die Fischerbrücke zur Fischerinsel. Dem Tor gegenüber liegt der Hauptzugang zu den 1683 neu erbauten Mühlen.“
Blick auf den Mühlendamm zwischen Cölln und Berlin (heute Mühlendammbrücke), Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin
Blick auf die Klosterkirche in Berlin, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin

9. Klosterkirche

„Die vor uns liegende Franziskaner-Klosterkirche gehört zu den schönsten mittelalterlichen Bauwerken in Berlin. Die dreischiffige gotische Pfeilerbasilika geht auf eine um 1250 errichtete Feldsteinkirche zurück. Das weiter links gelegene ‚Provianthaus‘, das Gebäude mit dem Kreuz auf dem Giebel, war einst das Wohnhaus der Mönche. Von der Klosteranlage selbst können wir nur diese wenigen Gebäude sehen, das eigentliche Kloster liegt dahinter. Nach der Reformation erhielt der kurfürstliche Leibarzt und Gelehrte Leonhard Thurneysser hier Räume für Laboratorien und eine Buchdruckerei. Die übrigen Räume wurden 1574 zur Einrichtung des ‚Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster‘ bestimmt. Das Gebäude gleich links neben der Klosterkirche gehört der Schule. Im Jahr 1540 ist auch das Gebäude rechts neben der Kirche als ‚Burglehen‘ an einen Bürger gefallen. Im daran angrenzenden Nebenhaus wiederum wohnt seit 1679 der Kammergerichts-Advokat Johann Adolf Dreckmaier.“

10. Spandauer Straße

„Die Spandauer Straße zählt zu den wichtigsten Straßen in Berlin. Hier befindet sich seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Berliner Rathaus. Rechts vor uns schauen wir auf seine Seitenfront. Obwohl das Gebäude wie viele andere auch im Laufe der Jahrhunderte mehrfach Opfer von Stadtbränden wurde, sind einige ältere Teile – wie der, den wir jetzt sehen –  erhalten geblieben. Dieser gotische Backsteinbau umfasst die berühmte, um 1270 errichtete Gerichtslaube, in der seit Jahrhunderten öffentlich Recht gesprochen wird. Wie ich gehört habe, hat der Architekt Nering Pläne zur Modernisierung des Rathauses vorgelegt. Das prächtige Haus linker Hand ist der Gasthof „Zum Hirsch“, in den die vornehmsten Reisenden abzusteigen pflegen. Im Nebengebäude mit der kleinen Freitreppe wohnt der kurfürstliche Rat Paul von Fuchs.“
Die Spandauer-Straße in Berlin, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin
Blick auf die kurfürstlich-brandenburgische Residenz in Cölln an der Spree (aus Richtung des heutigen Marx-Engels-Forums gesehen), Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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11. Das Schloss

„Von der Burgstraße auf der Berliner Seite der Spree blicken wir hinüber nach Cölln auf die schöne wasserseitige Front des Residenzschlosses. Ist es nicht eindrucksvoll mit seinen vielgestaltigen architektonischen Formen? Wenn wir nun den Blick von links nach rechts schweifen lassen, erkennen wir zunächst den 1665 errichteten kurfürstlichen Marstall, dann den Schlossplatz und dahinter den Dom. Ja, ganz recht: Der Berliner Dom – Ihr nennt ihn in Eurer Zeit ‚den alten‘ – wurde 1536 südlich des Schlosses am Schlossplatz errichtet. Es folgt die Hauptfront des Schlosses zum Schlossplatz hin mit der Stechbahn, über die wir an anderer Stelle noch sprechen.
Die uns zugewandte Seite der Residenz wird durch den Turm der Erasmuskapelle gekrönt. Rechts davon befindet sich der ‚Grüne Hut‘, ein halbrundes, wegen seines Kupferdaches so genanntes Türmchen der alten Cöllner Stadtbefestigung. An ihn schließt sich das ‚Haus der Herzogin‘ an sowie das kürzlich vollendete Eckgebäude.
Ganz rechts sehen wir auf der Lustgartenseite des Schlosses den 1687 begonnenen Bibliotheksneubau und das kuppelbekrönte Lusthaus, dessen Untergeschoss als künstliche Grotte ausgeschmückt ist. Ich möchte Sie übrigens noch auf das Haus links im Vordergrund auf unserer Seite der Spree aufmerksam machen, das dem Bürgermeister Schardius gehört. Daran schließt sich die hölzerne lange Brücke an, über die wir auf den Schlossplatz gelangen. Sie soll im kommenden Jahr in Stein erneuert werden.“

12. Schlossplatz mit Dom und Stechbahn

„Auf der Cöllner Seite mündet die lange Brücke auf den Schlossplatz. Rechts ist übrigens auf der anderen Seite der Spree der Turm der Berliner Marienkirche zu erkennen. Geradeaus erblicken wir das von zwei halbrunden Erkern flankierte, mit reich gegliederten Dachgiebeln und einem Balkon geschmückte Hauptgebäude der kurfürstlichen Residenz. Bemerkenswert ist die ebenerdige Arkadenhalle mit 17 Verkaufsläden, die 1679 bis 1681 nach Plänen von Baumeister Nering zum Schlossplatz hin angelegt worden ist. Sie erhielt den Namen ‚Stechbahn‘ von dem Turnierplatz, worauf Kurfürst Joachim II. zur Feier der Geburt seiner Tochter Ritterspiele abhalten ließ.
Durch ein Portal ähnlich einem Triumphbogen links neben dem Schloss betritt man den Vorhof desselben, von dem man dann erst in den eigentlichen Schlosshof und das Innere der Residenz gelangt. An das Schloss schließt sich linker Hand von uns die Domkirche an – rechtwinklig, so dass der Chor zum Schlossplatz zeigt. Dem Bau sind ein freistehender Glockenturm, ein Rest der alten Cöllnischen Stadtmauer und ein niedriges Gebäude mit Läden vorgelagert.“
Die Domkirche und die Stechbahn (Turnierplatz), Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin
Blick vom Schloss durch die Brüderstraße auf die Petrikirche zu Cölln an der Spree, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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13. Brüderstraße

„Wenden wir uns auf dem Schlossplatz von der kurfürstlichen Residenz ab, so blicken wir ihr gegenüber geradewegs in die Brüderstraße. Sie gehört zu den ältesten und vornehmsten Straßen Cöllns. Ihren Namen erhielt sie, nachdem sich die ‚Schwarze Brüder‘ genannten Dominikanermönche hier 1297 niedergelassen hatten. Am Ende der Straße ist die Petrikirche zu erkennen, welche ebenfalls eine Station unseres Spaziergangs ist.
Die Häuser auf der linken Seite haben noch Vorgärten mit den traditionellen Staketenzäunen aus grob bearbeiteten Pflöcken. Erst vor kurzem hat der Kurfürst angeordnet, dass diese beseitigt werden müssen. Rechts sehen wir stattliche, breite Traufenhäuser. Das Eckhaus an der Spreegasse ist eine Apotheke. Das angrenzende Gebäude wurde erst vor zehn Jahren errichtet. Noch dahinter, im so genannten Adresshaus, sitzt eine bekannte Handelsfirma. Heute leben in der Brüderstraße viele reiche und bekannte Persönlichkeiten, die man oft am kurfürstlichen Hof sehen kann. Das Baugerüst gleich rechts vor uns kündigt einen Neubau an, der hier sicherlich sehr teuer ist.“

14. Schloss-Vorhof

„Vom Schlossplatz durch das triumphbogenartige Portal kommend, überqueren wir den Vorhof des Schlosses und schauen zurück. Dieser äußere Schlosshof ist auf drei Seiten von niedrigen zweistöckigen Gebäuden umgeben, die Anfang des 17. Jahrhunderts als Stallungen, Amtsräume und Wohnungen für die Bediensteten des Schlosses entstanden sind. Daran angrenzend befindet sich das Eingangstor, durch das wir eingetreten sind. Im Hintergrund ragen die vier Türme des Doms und der freistehende Glockenturm der ersten Domkirche am Schlossplatz empor.
Die linke Seite des Vorhofs wird von einem zwischen 1592 und 1595 erbauten Teil des Schlosses beherrscht. Das links daran anschließende Gebäude im Vordergrund wurde erst 1685 fertiggestellt. Hinter den großzügig bemessenen Fenstern im oberen Stockwerk befindet sich der berühmte ‚Alabastersaal‘, auch ‚der schöne Saal‘ genannt – ein mit Stuck und Marmor prunkvoll ausgestatteter Schauplatz für Staatsempfänge des Kurfürsten. Seht ihr den Torbogen, der rechts durch das Gebäude führt? Durch ihn gelangen wir zum inneren Schlosshof.“
Blick auf den Schloss-Vorhof „ihrer kurfürstlichen Durchlaucht“ zu Cölln an der Spree, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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Blick in den Schloss-Innenhof (heute Schlüterhof) „ihrer kurfürstlichen Durchlaucht von Brandenburg” in Cölln an der Spree, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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15. Schloss-Innenhof

„Vor uns erhebt sich der zur Spree gelegene Flügel des Schlosses. Auf seiner uns abgewandten Wasserseite ragt der giebelgeschmückte Turm der Erasmus-Kapelle empor. Zum Hof hin führen in der Mitte zwei Treppentürme zu den kurfürstlichen Gemächern im dritten Geschoss. Der breitere Turm enthält den berühmten stufenlosen Rampenaufstieg, ‚Reitschnecken‘ genannt. Auf ihm können die Herren hoch zu Ross bis in die oberen Stockwerke gelangen oder mit der Kutsche hinauffahren. Zur Rechten sehen wir die prächtige Hofseite des von Baumeister Caspar Theiss ab 1538 errichteten Palastes. Auch diesen Flügel der Residenz, der zum Schlossplatz hin gelegen ist, ziert eine Wendeltreppe, über die man vom Innenhof in die oberen Stockwerke gelangen kann. Im Hof selbst spendet nachts die mehrarmige Laterne Licht.“

16. Lustgarten und Schloss

„Über den südlichen Teil des Lustgartens blicken wir auf den nördlichen Flügel des Schlosses mit seinen Anbauten. Der 1645 von Johann Gregor Memhardt nach holländischem Vorbild gestaltete Barockgarten besteht aus einem Blumengarten mit Hecken- und Laubengängen, einem Garten für Arzneikräuter und dem Küchengarten. Ein besonderer Anziehungspunkt ist der Springbrunnen, der vor uns plätschert. Eine Reihe von Marmor- und Sandsteinstatuen sowie mehrere aus Blei gegossene, vor kurzem prachtvoll vergoldete Skulpturen schmücken die Anlage und bilden den Rahmen für Feste des Hofes. Rechts hinter dem Schloss sehen wir die beiden Türme des Doms, rechts davor den Wasserturm an der Schlossfreiheit. Er gehört seit 1680 zur Münzwerkstatt, von der er auch den Namen ‚Münzturm‘ hat. Links an den Wasserturm schließt sich das ‚Ballhaus‘ an, ein 1661 zum Ballspielen errichtetes Gebäude.“
Blick über den kurfürstlich-brandenburgischen Lustgarten zu Cölln an der Spree auf das Schloss, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin
Blick vom Schloss auf die küstliche Grotte (rechts) und das Pomeranzenhaus (die Orangerie, links) im kurfürstlich-brandenburgischen Lustgrten zu Cölln an der Spree, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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17. Lustgarten mit Grotte und Pomeranzenhaus

„Wir wenden uns dem nördlichen Teil des Lustgartens zu, wo wir zwei Sehenswürdigkeiten bestaunen können. Zur Rechten erhebt sich das kurfürstliche Lusthaus, das wegen seines im Erdgeschoss eingerichteten Saales aus Muscheln, Korallen und verschiedenen Gesteinen die ‚Grotte‘ genannt wird. Im oberen Stockwerk pflegt der Hof an Sommertagen zu speisen.
Ein breiter Weg durchzieht als Mittelachse den Garten. Er führt über den Spreegraben zu dem halbkreisförmigen, nach der Zitrusfrucht benannten Pomeranzenhaus, das im Jahre 1685 erbaut worden ist. Im Sommer kann das Dach abgenommen werden, im Winter finden hier die Pomeranzenbäume und andere Gewächse Schutz vor der kalten Witterung.“

18. Schlossfreiheit mit Münzturm

„Die Schlossfreiheit hat ihren Namen daher, dass die benachbarten Häuser und Grundstücke vom Landesherrn von den städtischen Abgaben und Lasten sowie von der städtischen Gerichtsbarkeit befreit worden sind. Mit der Hundebrücke im Rücken, deren Nachfolgebau Ihr zu Eurer Zeit weit würdiger die ‚Schlossbrücke‘ nennt, blicken wir auf die Straße zwischen Lustgarten und Schloss. Im Hintergrund erkennen wir die Eingänge, die in den links von uns gelegenen Lustgarten und ins Schloss führen, darüber den Giebel der Schlossapotheke und im Hintergrund den Turm der Marienkirche zu Berlin.
Rechts sehen wir den mächtigen, fast quadratischen Münzturm. Er wurde ab 1575 als ‚Wasserkunst‘ errichtet. Er versorgte das Schloss und die Fontänen des Lustgartens mit Wasser. Seit einigen Jahren liefert er die Wasserkraft für die seitlich angefügte Münzwerkstatt, deshalb nennt man ihn heute nur noch Münzturm.“
Blick auf die kurfürstliche Schlossfreiheit in Cölln an der Spree, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
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Blick in den Tiergarten von Berlin, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin

19. Lindenallee

„Wir lassen das Schloss hinter uns, durchqueren den nördlichen Teil des Friedrichswerder und begeben uns in die 1674 angelegte Dorotheenstadt. Seit jenem Jahr wurden hier über 170 Häuser und eine Kirche erbaut. Am besten gefällt mir jedoch die vor uns liegende Allee, die zum Tiergarten führt. 1647 wurde sie mit je 1000 Linden- und Nussbäumen bepflanzt. Sie dient den Berlinern zumeist an Sonntagen für liebliche Spazierfahrten und Spaziergänge. Ist es nicht herrlich hier unter den Linden? Die Baulichkeiten vor uns auf der linken Seite gehören übrigens dem Chef der kurbrandenburgischen Artillerie, Oberst Ernst von Weiler. Rechterhand erhebt sich der von Nering errichtete Stall für Maultiere und Pferde.“

20. Dorotheenstädtische Kirche

„Wir beenden unseren Stadtrundgang mit dem Besuch der Dorotheenstädtischen Kirche, welche sich nur wenige Dutzend Schritte abseits der Lindenallee an dem zum Tiergarten hin gelegenen Festungswall befindet. Das einfache, in Formen der holländischen Renaissance errichtete Gotteshaus ist erst 1687 fertiggestellt worden. Die noch jungen Lindenbäume und der kleine Friedhof künden davon. Rechts im Hintergrund erkennen wir auf dem Platz vor der Kirche den Glockenstuhl mit dem Geläut. Die Kirchgemeinde besteht hauptsächlich aus Hugenotten – protestantischen Flüchtlingen aus Frankreich, die sich hier in der Neustadt in den letzten Jahren zahlreich angesiedelt haben.“
Die Dorotheenkirche (Dorotheenstädtische Kirche) in der Neustadt bei Berlin, Zeichnung, Johann Stridbeck der Jüngere, 1690
© Stadtmuseum Berlin

Redaktionelle Bearbeitung: Heiko Noack
Karte: Martin Schäfer

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